Neunter Artikel. Zwischen Bild und Ähnlichkeit wird passenderweise ein Unterschied gemacht.
a) Dagegen läßt sich geltend machen: I. Die Ähnlichkeit verhält sich zum Bilde wie die allgemeinere „Art“ zur Gattung. Denn wo ein Bild, da ist Ähnlichkeit; nicht aber umgekehrt. Die „Art“ aber wird nicht passenderweise von der Gattung unterschieden; sondern beides gehört zu einander. II. Das Bild Gottes darf seinem Wesen nach nicht nur die drei Personen darstellen, sondern auch das göttliche Wesen; und dazu gehört die Unsterblichkeit und Unteilbarkeit. Nicht also passenderweise wird gesagt, daß im Wesen die Ähnlichkeit sei, weil da Unteilbarkeit und Unsterblichkeit ist; — das Bild aber sei in den anderen Kräften. III. Das Bild Gottes im Menschen ist dreifach: als 1. der Natur, 2. der Gnade, und 3. der Herrlichkeit angehörig. Die Unschuld und die Gerechtigkeit aber gehören der Gnade an. Unzulässig also ist es zu sagen, das Bild werde genommen gemäß der Erinnerung, dem Verständnisse und dem Willen; eine Ähnlichkeit aber werde angenommen gemäß der Unschuld und der Gerechtigkeit. IV. Die Kenntnis der Wahrheit gehört zum Verständnisse, die Liebe der Tugend zum Willen. Vernunft und Wille aber sind zwei Teile des Bildnisses. Also unzulässigerweise wird gesagt, das Bild sei in der Kenntnis der Wahrheit, die Ähnlichkeit in der Liebe zur Tugend. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (83. Qq. 51.): „Es giebt deren, welche nicht mit Unrecht meinen, von zwei Dingen sei gesagt: zum Bilde und zur Ähnlichkeit; denn bestände da nur ein Ding, so hätte eines von beiden genügt.“
b) Ich antworte, daß Ähnlichkeit gewissermaßen Einheit ist; denn Einheit in einer Eigenschaft verursacht Ähnlichkeit, wie Aristoteles sagt. (5 Metaph.) Das „Eine“ aber ist unter jenen Aussagen, welche von allen Dingen gemacht und die jedem einzelnen angepaßt werden können; wie auch das Gute und das Wahre. Wie also das Gute einem Dinge zukommen kann als vorbereitender Zustand und wiederum als folgend, insoweit es eine Vollkommenheit bedeutet; so verhält es sich auch mit der Ähnlichkeit in Beziehung auf das Bild. Insofern z. B. Mensch zu sein ein gewisses besonderes Gut ist, geht es dem einzelnen Menschen vorher; insofern ich aber auf Grund der Vollendung in der Tugend von einem einzelnen Menschen sage, er sei „gut“, folgt dieses Gute dem Menschen. Ebenso nun wird die „Ähnlichkeit“ betrachtet 1. als vorbereitend für das „Bild“, inwieweit sie allgemeiner und umfassender ausgesagt wird wie das „Bild“. Und sie wird betrachtet 2. als dem „Bilde“ folgend, inwieweit sie eine gewisse Vollendung des Bildes ausdrückt. Denn wir sagen, ein Bild sei ähnlich oder unähnlich dem, welchen es darstellt; inwieweit es nämlich unvollkommen oder vollkommen ihn wiedergiebt. So also kann die Ähnlichkeit vom Bilde in zweifacher Weise unterschieden werden: einmal, insoweit sie demselben vorhergeht, es vorbereitet und demgemäß in mehr umfassender Weise ausgesagt wird oder auch in mehreren Dingen als gerade in Bildern vorhanden ist; — und so wird die Ähnlichkeit berücksichtigt nach dem, was gemeinsamer ist wie die Eigentümlichkeiten der vernünftigen Natur, nach denen ja eigentlich etwas „Bild“ genannt wird. Demgemäß sagt Augustin (83. Qq. 51.): „Der vernünftige Geist ist ohne Zweifel nach dem Bilde Gottes gemacht. Die übrigen (niedrigeren Seelenkräfte und der Leib selber) Teile des Menschen sind im allgemeinen nach der Ähnlichkeit gemacht; wie manche sagen.“ Und danach heißt es auch (de quantitate animae c. 2.), die Seele sei Gott ähnlich, insoweit sie unsterblich ist. Denn „vergänglich“ und „unvergänglich“ sind ganz allgemeine und allumfassende Unterschiede des Seins. In anderer Weise kann die Ähnlichkeit betrachtet werden, soweit sie den vollendeten Ausdruck des Bildes bedeutet; und danach sagt Damascenus (2. de fide orth. c. 12.): „Was da nach dem Bilde ist, das bezeichnet das Vernünftige, das Freie und das Vermögende; was aber nach der Ähnlichkeit ist, das bedeutet die Ähnlichkeit in der Vollendung der Tugend, soweit der Mensch sie haben kann.“ Danach wird gesagt, die Ähnlichkeit gehöre zur Liebe der Tugend; denn eine Tugend giebt es nicht ohne Liebe der Tugend.
c) I. Die Ähnlichkeit wird vom Bilde unterschieden nicht nach der gemeinsamen Natur der Ähnlichkeit (denn so ist sie eingeschlossen im Wesen des Bildes), sondern insofern eine gewisse Ähnlichkeit weniger bedeutet als das „Bild“; und eine andere Ähnlichkeit des Bildes Vollendung besagt. II. Das Wesen der Seele gehört zum Bilde, insoweit es das göttliche Wesen gemäß dem vorstellt, was der vernünftigen Natur eigen ist; nicht aber auf Grund der Verhältnisse, welche dem Sein im allgemeinen anhaften; wie z. B. die Einfachheit und Unvergänglichkeit. III. Einige Tugenden sind ihrer Natur nach der Seele eigen, wenigstens soweit es auf die principielle Anlage ankommt; und gemäß diesen kann eine natürliche Ähnlichkeit angenommen werden; — obgleich es durchaus nicht unzulässig ist, daß eben das Nämliche, was nach der einen Auffassung Bild genannt, nach der anderen als Ähnlichkeit bezeichnet wird. IV. Die Liebe des „Wortes“ oder die Kenntnis als geliebte gehört zur Natur des Bildes; die Liebe der Tugend aber, gleichwie die Tugend selber zur Ähnlichkeit.
