Siebenter Artikel. Das Bild Gottes ist im Menschen zu allererst gemäß der thatsächlichen Wirksamkeit.
a) Das Gegenteil scheint zu sagen: I. Augustin (11. de civ. Dei 26.): „Der Mensch ist nach dem Ebenbilde Gottes gemacht; insoweit wir sind und wissen, daß wir sind und es lieben, daß wir wissen und sind.“ Sein aber deutet auf keine Wirksamkeit hin. II. Augustin legt das Bild Gottes (9. de Trin. 4.) in die Seele, insofern dieselbe einen vernünftigen Geist hat und Kenntnis und Liebe. Der vernünftige Geist aber bedeutet nicht Wirksamkeit, sondern vielmehr Vermögen oder auch das Wesen der vernünftigen Seele. III. In 10. Trin. 11. findet er das Bild des Dreieinigen im (geistigen) Gedächtnisse, im Verständnisse und im Willen. Das sind aber drei Seelenkräfte, wie der Magister (3. dist. 1. Iib. Stsnt.) sagt. Also nach den Kräften richtet sich das Bild der Dreieinigkeit, nicht nach der Wirksamkeit. IV. Das Bild der Dreieinigkeit bleibt immer in der Seele, während die Thätigkeit der letzteren nicht immer bleibt. Auf der anderen Seite (9. de Trin. 6.) findet Augustin in den niederen Kräften der Seele die Dreiheit gemäß dem thatsächlichen Schauen; mag selbiges körperlich oder der Einbildung angehöriges sein. Die Dreiheit also auch im vernünftigen Geiste, wonach der Mensch nach dem Bilde Gottes ist, muß betrachtet werden gemäß dem thatsächlichen Schauen.
b) Ich antworte, zur Natur des „Bildes“ gehöre eine irgendwelche Darstellung der Gattungsähnlichkeit. Soll also ein Bild der Dreieinigkeit in der Seele angenommen werden, so muß man es vorzugsweise darein setzen, was am meisten der Darstellung der wesentlichen Eigentümlichkeiten der göttlichen Personen nahe kommt. Die göttlichen Personen aber werden voneinander unterschieden gemäß dem thatsächlichen Ausgehen des Wortes vom Sprechenden und dem thatsächlichen Ausgehen der Liebe, die beide verbindet. Ohne thatsächliche Erkenntnis aber kann in uns kein „Wort“ sein, wie Augustin (14. de Trin. 7.) sagt. Also ist das Bild der Dreieinigkeit zuerst und vor Allem in uns gemäß der thatsächlichen Wirksamkeit; insofern wir aus der Erkenntnisform, die wir haben, denkend in unseren Innern das Wort bilden und daraus zur Liebe kommen. Weil aber die Principien der Thätigkeiten die Zustände und Vermögen sind und jegliches in seinem Princip der Kraft nach enthalten ist, so ist an zweiter Stelle und auf Grund der Wirksamkeit das Bild der Dreieinigkeit in der Seele gemäß den Vermögen und den Zuständen, insoweit die thatsächliche Wirksamkeit in denselben der Kraft nach enthalten ist.
c) I. Unser Sein gehört zum Bilde Gottes, weil es uns in hervorragender Weise über alle Tiere hinaus zu eigen ist. Dieses Sein aber gebührt uns, soweit wir einen vernünftigen Geist haben. Und deshalb ist die Dreiheit, welche Augustin hier (II. de Civ. 26.) beschreibt, in uns dieselbe wie jene, die er 9. de Trin. 4. angiebt. II. Augustin findet diese Dreiheit zuerst im vernünftigen Geiste. Weil aber der letztere, obgleich er gewissermaßen sich selber als ein Ganzes erkennt, trotzdem auch sich selber gewissermaßen nicht erkennt; insofern er nämlich von den anderen verschieden ist, so sucht er sich selbst auch gemäß dem; wie Augustin 10. de Trin. 3. et 4. beweist. Und deshalb, weil die Kenntnis nicht ganz und gar den vernünftigen Geist erschöpft, nimmt Augustin in der Seele drei verschiedene Eigentümlichkeiten des Geistes an, nämlich die Erinnerung, das Verständnis und den Willen, von denen jeder weiß, daß er sie hat; und in diese drei Eigentümlichkeiten legt er das Bild der Dreieinigkeit; als ob er die erste Angabe für ungenügend finde. III. Es wird gesagt (nach Augustin 14. de Trin. 7.), wir erkennen und wollen oder lieben Einzelnes, sowohl wenn wir daran thatsächlich denken als auch wenn wir nicht daran denken. Im letzteren Falle gehört dies Alles nur der Erinnerungskraft an, die nach Augustin nichts Anderes ist als das gewohnheitsmäßige Festhalten dessen, was wir kennen und lieben. „Weil aber das Wort daselbst nicht sein kann ohne Gedanken; denn wir denken Alles, was wir sagen, mit jenem innerlichen Worte, das keines Volkes Sprache auszudrücken vermag; so anerkennen wir in diesen drei Dingen vielmehr das erwähnte Bild: in der Erinnerung nämlich, im Verständnisse und im Willen. Jenes Verständnis meine ich hier, vermittelst deren wir thatsächlich denkend verstehen; und jenen Willen oder jene Liebe, vermittelst deren wir das Erzeugnis des Geistes mit dem Zeugenden verbinden.“ Daraus geht hervor, wie Augustin in das thatsächliche Denken und Wollen das Bild der Dreieinigkeit legt; nicht in das gewohnheitsmäßige Festhalten der Erinnerung; mag auch rücksichtlich des letzteren ebenfalls ein gewisses Bild der Dreieinigkeit bestehen. Und so ist klar, daß die Erinnerung, das Verständnis, der Wille nicht drei Seelenkräfte oder drei Vermögen des vernünftigen Geistes sind. IV. Es könnte auf diesen Einwurf jemand erwidern, was Augustin sagt (14. de Trin. cap. 6.), daß nämlich der vernünftige Geist immer an sich selbst denkt, sich immer versteht und liebt; wonach einige meinen, es sei immer der thatsächlichen Wirksamkeit nach das Verstehen seiner selbst und die Liebe zu sich selbst ihm gegenwärtig. Diese letztere Meinung schließt Augustin aus mit den Worten: „Nicht immer denkt die Seele daran, daß sie unterschieden sei von allem dem, was nicht sie selbst ist.“ Demnach liebt und erkennt sich die Seele wohl immer; aber nur dem Zustande nach, nicht in thatsächlicher Wirksamkeit. Sie ist immer geneigt und geeignet dazu, sich zu denken und sich zu lieben; thut es aber nicht immer thatsächlich. Zudem könnte gesagt werden, daß die Seele, schon wenn sie ihre Thätigkeit wahrnimmt, sich selbst versteht; mag sie verstehen, was auch immer sie will. Weil sie jedoch, wie beim Schlafenden es der Fall ist, nicht immer thatsächlich erkennt, so muß man sagen, die Thätigkeit bleibe wohl nicht immer in ihr an und für sich, wohl aber in ihren Principien, in den Fähigkeiten nämlich und Zuständen. Sonach sagt Augustin (14. de Trin. cap. 4.): „Wenn die vernünftige Seele als nach dem Bilde Gottes seiend danach bezeichnet wird daß sie die Vernunft stets gebrauchen kann, um Gott zu erkennen und zu betrachten, so war gleich im Beginne als sie anfing zu sein, das Bild Gottes in ihr.“
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