Erster Artikel. Es giebt eine Weltregierung.
a) Daß es keine Weltregierung gebe, erhellt aus Folgendem: I. Nur jene Wesen werden regiert, welche um eines Zweckes willen bewegt werden oder thätig sind. Die Dinge aber, die rein dem Laufe der Natur folgen und die zum großen Teil die Welt ausmachen, sind nicht um eines Zweckes willen thätig, denn sie kennen einen solchen nicht. Also wird die Welt von niemandem regiert. II. Die Welt hat in sich Festigkeit und Dauer. Also wird sie nicht zu einem Zwecke hin bewegt oder gelenkt. Sie würde ja dann heute so und morgen so, heute da und morgen dort sein, wie der Zweck, den sie noch nicht besitzt, es erforderte. Also wird sie nicht gelenkt, da etwas nur zu einem Zwecke hingelenkt werden kann. III. Die meisten Dinge in der Welt werden bereits kraft ihrer Natur zu einem bestimmten Gute und nach einer ganz gewissen Richtung hin bewegt. Also bedürfen sie weiter keines Regierers und somit bedarf dessen nicht die Welt, Auf der anderen Seite heißt es Sap. 14, 3.: „Du aber, Vater, regierst Alles kraft Deiner Vorsehung“ und Boëtius 3. de consol. mtr. 9.: „Du, der Du Alles mit dauernder Vernunft leitest.“
b) Einige alte Philosophen meinten, Alles in der Welt geschehe zufällig. Doch das ist unmöglich. Und dies erscheint bereits in den Dingen selber. Denn wir sehen, daß aus den Dingen das, was zum Besten dient, entweder immer folgt oder doch in den meisten Fällen; das könnte jedoch nicht geschehen, wenn nicht durch irgend welche Vorsehung die Dinge zum Guten hin als zu ihrem Zwecke geleitet würden. Die Ordnung selbst also in den Dingen zeigt bereits eine Weltregierung an. So sagt aus Aristoteles Cicero (2. de natura deorum), daß, wenn wir in ein wohlgeordnetes Haus treten, wir aus dieser Ordnung selber erwägen, wie vernünftig der ordnende Besitzer sein muß. Sodann erscheint dies aus der Güte Gottes, welche die Dinge in deren Sein hervorgebracht hat. Denn da es dem besten Wesen entspricht, Bestes hervorzubringen, so würde es der göttlichen Güte wenig entsprechend sein, wenn sie die hervorgebrachten Dinge nicht vollendete. Die Vollendung eines jeden Dinges aber besteht darin, daß es den Zweck erreicht. Sowie es also der göttlichen Güte entspricht, die Dinge hervorzubringen, so entspricht es ihr auch, dieselben ihrem Zwecke entgegenzuführen, d. h. sie zu regieren.
c) I. Etwas kann in doppelter Weise um des Zweckes willen thätig sein: einmal so, daß es sich selbst zum Zwecke hinbewegt wie die vernünftigen Wesen; — ihnen ist es eigen, den Charakter des Zweckes zu kennen und somit auch das, was zum Zwecke dient. Dann ist etwas um des Zweckes willen thätig, wenn es von einem anderen auf den Zweck hingelenkt wird, wie der Pfeil vom Schützen abgeschossen wird; der letztere erkennt in diesem Falle den Zielpunkt, nicht der Pfeil. Wie also die Bewegung des Pfeiles nach einem ganz bestimmten Zielpunkte hin offenbar beweist, daß der Pfeil gelenkt worden von einem, der das Ziel kennt; so erklärt der Lauf der natürlichen Dinge, der sich in gewissen Grenzen vollzieht, offenbar, daß die Welt durch eine Vernunft gelenkt werde. II. In jeglichem Dinge ist einerseits etwas Feststehendes, zum mindesten das Vermögen des Urstoffes, Alles werden zu können; und andererseits etwas zur Bewegung Gehörendes, insoweit alle Thätigkeit im Ausdrucke „Bewegung“ eingeschlossen ist. Mit Rücksicht auf Beides nun bedarf jedes Ding der Leitung; denn dieses selbst, was in ihm dauerhaft ist und feststeht, würde zu nichts werden, wie es aus Nichts ist, wenn die Hand des Regierers es nicht aufrecht hielte. (Vgl. unten Kap. 104, Art. 1.) III. Die Naturnotwendigkeit der Dinge, die auf Eines hin bestimmt und gerichtet sind, ist ein gewisser Eindruck von seiten Gottes, der zum Zwecke hinlenkt; wie die Notwendigkeit, mit welcher der Pfeil seinem Ziele zufliegt, ein Eindruck im selben ist von seiten des Schützen und nicht vonseiten des Pfeiles. Darin allein ist der Unterschied, daß, was Gott den Dingen so einprägt, in diesen Natur ist; was aber der Mensch in dieser Weise einprägt, ist außerhalb der Natur des Dinges und ist für dasselbe Zwang. Wie also die Notwendigkeit im Pfeile mit Bezug auf das Ziel die Leitung des Schützen darthut, so beweist die Naturnotwendigkeit in den Dingen die Leitung der göttlichen Vorsehung.
