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Werke Gregor von Nazianz (329-390) Orationes XLV Reden (BKV)
II. Rede

16.

[Forts. v. S. 14 ] Mag einer auch frei von Sünden sein und auf dem Gipfel der Tugend stehen, ich kenne nicht das Wissen und nicht die Kraft, welche ohne Furcht dieses Amt übernehmen lassen. Denn mir scheint es wahrlich die Kunst der Künste und die Wissenschaft der Wissenschaften zu sein, den Menschen, das vielseitigste und unbeständigste Wesen zu leiten. Um dies zu verstehen, muß man die Seelsorge mit der Medizin vergleichen, muß man die Schwierigkeit der letzteren kennengelernt und daneben die noch größere Schwierigkeit der ersteren erprobt haben und den größeren Wert der letzteren in bezug auf Objekt, Mittel und Zweck kennen. Die Medizin bemüht sich um den Körper, den vergänglichen, irdischen Stoff, der auf jeden Fall dem Untergang geweiht ist und sein Schicksal erleidet, auch wenn sie einstweilen mit künstlichen Mitteln die innere Zerrüttung bemeistert; Krankheit oder Zeit lösen ihn auf, er muß der Natur das Opfer bringen, kann seine Grenzen nicht überschreiten.

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