54.
Zu erwähnen ist sein unermüdlicher Lehreifer, seine vielseitige Seelsorge, einerseits seine Menschenfreundlichkeit und anderseits seine Strenge, die sich beide so mischten und verbanden, daß er weder aus Güte weichlich noch aus Strenge rauh wurde. Er gibt Vorschriften Dienern und Herren, Herrschern und Untertanen, Männern und Frauen, Eltern und Kindern, für Ehe und Ehelosigkeit, für Enthaltsame und Weltkinder, für Weise und Ungebildete, für Juden und Heiden, für Kirche und Welt1, Fleisch und Geist. Für die einen dankt er, die anderen tadelt er. Die einen bezeichnet er als seine Freude und seine Krone2, anderen wirft er Unverstand vor3. Mit denen, welche den geraden Weg einschlagen, geht er einträchtig zusammen; diejenigen, welche den bösen Weg gehen, hält er zurück. Bald schließt er aus der Gemeinde aus4, bald läßt er Liebe walten5. Bald trauert er, bald freut er sich. Bald tränkt er mit Milch, bald greift er zu den Geheimnissen. Zu den einen läßt er sich herab, die anderen zieht er zu sich empor. Bald droht er mit dem Stocke6, bald zeigt er den Geist der Sanftmut7. Bald erhebt er sich mit den S. 35 Hohen, bald verdemütigt er sich mit den Demütigen. Das eine Mal ist er der letzte der Apostel8, das andere Mal beruft er sich auf den in ihm sprechenden Christus9. Jetzt verlangt er fort und opfert sich; jetzt hält er es für notwendiger, im Fleische zu verbleiben10. Denn nicht sucht er das Seinige, sondern das Wohl seiner Kinder, welche er durch das Evangelium in Christus erzeugt hatte11. Für jedes geistliche Amt gilt: mit Rücksicht auf das Wohl der Mitmenschen muß man überall auf seinen eigenen Nutzen verzichten.
