55.
Paulus rühmt sich in seinen Schwachheiten und Bedrängnissen1. Er schmückt sich mit dem Sterben Jesu wie mit einem kostbaren Schatze. Über das Fleisch erhaben, frohlockt er im Geiste. Obwohl nicht ungelehrt, behauptet er, er sehe „in einem Spiegel und in Rätseln2“. Er ist kühn im Geiste und bändigt seinen Körper3, ihn wie einen Feind zu Boden werfend. Was will uns Paulus damit lehren, wozu will er uns erziehen? Wir sollen nicht auf irdische Dinge stolz sein, nicht durch Wissen aufgeblasen werden, nicht das Fleisch wider den Geist erregen. Paulus kämpft für alle, betet für alle, eifert für alle, erglüht für alle, sowohl für die, welche außerhalb des Gesetzes stehen, wie für die, welche dem Gesetze unterworfen sind. Er ist Herold den Heiden, Vormund den Juden. Zu noch kühnerer Tat verstieg er sich aus Liebe zu seinen Brüdern im Fleische ― ich wage es, so zu sprechen ―: in seiner Liebe bittet er, sie möchten an seiner Statt Christus zugeführt werden4. Welche Hochherzigkeit! Welcher Feuergeist! Paulus ahmt Christus nach, der aus Liebe zu uns zum Fluche geworden war5, unsere Schwachheiten auf sich genommen und unsere Krankheiten getragen hatte. Oder ― S. 36 um mich etwas bescheidener auszudrücken ― Paulus ist nach Christus der erste, der, obwohl als Gottloser verspottet, verlangt, für die Menschen zu leiden, nur damit sie erlöst werden.
