33. Vom Abt Sunniulf
S. 223 Damals starb auch der Abt desselben Klosters, auf den Sunniuls folgte, ein Mann, dessen Herz ganz voll Aufrichtigkeit und Liebe war. Er wusch häufig seinen Gästen die Füße selbst und trocknete sie mit eigenen Händen. Nur leitete er die ihm anvertraute Herde weniger mit Strenge, als durch Bitten. Er hatte aber einst ein Gesicht, wie er selbst zu erzählen pflegte: es war ihm, als wenn er an einen feurigen Strom geführt würde, zu dem kam von dem einen Gestade viel Volk, wie Bienen zu einem Bienenkorb, und sie versanken alle darin, einige bis an die Hüften, andere bis an die Achsel, manche auch bis an das Kinn, und sie schrien und wehklagten, daß sie vom Feuer schreckliche Qualen litten. Es führte aber auch eine Brücke über den Fluß, so schmal, daß sie kaum eines einzigen Fußes Breite tragen konnte. Und an dem andern Gestade war ein großes Haus, weißglänzend von außen. Da fragte er die, so um ihn waren, was das bedeuten solle. Die gaben ihm zur Antwort: »Von dieser Brücke wird herabgestürzt werden, wer sich nachlässig in der Leitung der ihm anvertrauten Herde zeigt, wer aber eifrig gewesen ist, schreitet ohne Gefahr hinüber und geht voll Freude in das Haus ein, das du am andern Ufer siehst«1 Als er diese Worte hörte, erwachte er aus dem Schlafe, und wurde von der Zeit an viel strenger gegen die Mönche
Wenn dieses Kapitel nicht von einem Späteren eingeschoben ist (es findet sich nur m einer Handschrift), so liefert es einen interessanten Beitrag zur Geschichte der mittelalterlichen Bisionew Jn vielen kommt eine Briicke wie die hier erwähnte vor; man nimmt gewöhnlich an (vgl. z. B. C. Fritzsche in den Romanischen Forschungen ll [1886] 266), dieses, vielleicht aus dem Orient stammende Motiv trete zuerst in den Dialogen Gregors des Großen (IV, 36) auf. Aber Gregor von Tours schrieb mindestens sein viertes Buch vor dem Papste. ↩
