Nr. 4
Ist dieß nun nicht, schlachtet man dann vielleicht den Göttern Opferthiere und wirft sie auf die brennenden Altäre, um irgend einer Lust willen, oder wie man sagt, ihres Verlangens wegen? Welcher Mensch aber S. 182 mag sich bereden, die Götter verweichlichten sich durch wollüstige Erheiterungen, äußerten Lust nach begierlichen Vergnügen und ließen sich gleich verächtlichen Thieren von reizender Sinnlichkeit verlocken, durch den flüchtigen Kitzel des Gaumens ergötzen? denn was durch Wollust zerstreut wird, das muß durch die entgegenstehende Trübsal beengt werden; und nicht kann von der Trauer Angst frei seyn, was vor Freude erbebt und durch der Lust Lebendigkeit sich erlabt. Beider Gemüthsstimmungen aber müssen die Götter enthoben seyn, wollen wir, sie seyen beständig und der Sterblichen Gebrechlichkeit beraubt. Ja noch mehr, jede Wollust ist ein gewisses Liebkosen des Körpers und wird mittelst jener bekannten fünf Sinne empfangen. Empfinden sie nun die Götter, so haben dieselben nothwendig auch Körper, welche der Sinne Vermittler und die Zugänge für die aufzunehmenden Wollüste sind. Endlich, was ist das für ein Vergnügen, sich an dem Schlachten unschädlicher Thiere zu erfreuen, oftmals das jämmerliche Brüllen anzuhören, Blutströme zu sehen; wahrzunehmen, wie mit der Tödtung das Leben entfliegt; wie das Verborgene enthüllt, die Eingeweide sammt dem Unflath hervordrängen; wie mittelst nachhaltiger Lebenskraft das Herz noch zuckt, die Gefäße noch beben und zittern? Wir halbwilde, ja vielmehr, um wahrhaftiger und offener uns auszudrücken, wir wilde Menschen, von unseliger Nothwendigkeit und durch üblen Gebrauch belehrt, von ihnen unsere Nahrungsmittel herzunehmen, werden doch manchmal zum Mitleid bewogen; klagen uns selbst an und verdammen uns von Herzen nach Ueberlegung und Betrachtung der Sache, weil wir die Verbindlichkeit der Menschlichkeit bei Seite gesetzt, des natürlichen Ursprunges Gemeinschaft zerrissen haben. Glaubt wohl irgend Einer, die sanftmüthigen, wohlthätigen, milden Götter erfreuten sich am Tödten der Thiere und empfänden ein Wohlbehagen, wenn einmal diese vor ihnen zusammenstürzen und auf erbärmliche Weise das Leben lassen? Also beut auch die Lust, wie wir sehen, keine Ursache für die Opfer dar; noch ist weshalb man sie darbringe ein Grund vorhanden, weil keine Lust hier stattfindet, und findet etwa eine statt, so kann sie auf keine Weise, wie dargetan worden, den Göttern zu Theil werden.
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