Nr. 23
Was wir ferner als von euch ausgesagt vernehmen: Einige Götter seyen gütig, andere dagegen übelwollend und der Begierde zu schaden hingeneigter; damit jene nun günstig seyen, diese aber nicht schaden mögen, bringe man ihnen des Opferdienstes Feierlichkeit dar; auf welchen Grund hin dieß behauptet werde, bekennen wir, nicht einsehen zu können: denn sagen, die Götter seyen überaus gütig und milder Natur, ist eben so fromm als gewissenhaft und wahr; sie seyen aber übelwollend und ungünstig, soll niemals zu Gehör kommen, und zwar deßhalb, weil jene göttliche Natur von S. 194 dem Vermögen zu schaden entfernt und geschieden weithin ist. Was immer aber des Unheils Ursache herbeiführen kann, was es sey, es ist vor allem zu fürchten und muß von der Gottheit Name auf's weiteste unterschieden werden. Dergestalt, wollen wir euch auch zustimmen, daß die Götter der glücklichen und ungünstigen Zustände Gönner seyen, ist dennoch kein Grund vorhanden, weßhalb ihr die einen mittelst Opfer und Gaben zu Gunstbezeugungen anlockt, den anderen aber, damit sie nicht schaden, schmeichelt. Vorerst können die guten Götter nicht übel thun, selbst wenn ihnen keine Ehre erwiesen würde; denn was seiner Natur nach milde und sanftmüthig ist, steht gesondert von der Uebung und dem Gedanken zu schaden. Der Uebelwollende jedoch weiß seine Wildheit nicht zu bändigen, obschon man ihn mit tausend Heerden und mittelst tausend Opferherden anlockt: denn weder vermag sich die Widerlichkeit in Annehmlichkeit zu wandeln, noch die Dürre in Feuchtigkeit, des Feuers Wärme in Kälte; noch das einem jeglichen Dinge Entgegengesetzte das ihm Entgegengesetzte in seine Natur aufzunehmen und umzuändern. Wie wenn die Hand eine Viper oder einen giftgeschwellten Skorpion liebkoset, jene sie beißt, dieser zusammengezogen ihr den Stachel eindrückt, und das Kosen keinen Nutzen bringt, da beide zum Schaden nicht durch Zornreizungen angeregt werden, sondern vermöge einer gewissen Natureigenthümlichkeit: so nützt es auch Nichts, durch Opfer die ungünstigen Götter sich verbindlich machen wollen, da sie, man mag dieß oder jenes thun, ihrer Natur gemäß handeln, und zu dem, was sie vollbracht, durch eingeborene Triebe und eine gewisse Nothwendigkeit hingeführt werden. Ja, auf diese Weise hören beiderlei Götter auf, bei ihren Kräften und Eigenschaften zu beharren: denn wenn man den gütigen, damit sie Günstiges gewähren, Opferdienst, den anderen aber, damit sie nicht schaden, aus denselben Gründen Sühnopfer darbringt, so folgt, man müsse einsehen, die gnädigen werden ohne empfangene Gaben keine Gunst gewähren; die Uebelwollenden aber werden durch Annahme, indem sie ihren Sinn zu schaden ablegen, günstige; und dergestalt führt sich die Sache dahin, daß weder jene Günstige, noch diese Ungünstige oder, was nicht eben geschehen kam, daß beide günstig sind und beide deßgleichen wiederum ungünstig.
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