Nr. 28
Nun wird etwa Einer sagen: um deßwillen bringt man den Göttern Weihrauch dar, weil sein Geruch angenehm ist und der Empfindung der Nase schmeichelt; die anderen Rauchwerke dagegen sind scharf und um der Widerwärtigkeit willen ausgeschlossen. Haben also die Götter Nasen, mittelst denen sie Athem holen, die Luft einziehen und auslassen, so daß der verschiedenartigen Düfte Beschaffenheiten sie durchdringen können? Geben wir aber dieß zu, so machen wir sie dem Gesetz der Sterblichkeit verbindlich und schließen sie von der Göttlichkeit aus: denn was immer athmet, abwechselnd die Luft einzieht und ausstößt, ist nothwendig sterblich, weil es durch die Nahrung der Luft erhalten wird. Was immer aber durch die Luftnahrung besteht, entreißt man ihm die Mittel, wodurch der belebende Wechsel des Aus- und Einathmens besteht, nothwendig wird desselben Seele erwürgt und des Lebens Grund zerstört. Wenn also auch die Götter athmen und den Duft eingehüllt in die leitenden Lüfte an sich ziehen, so ist es nicht wider die Wahrheit zu behaupten, daß dieselben sowohl durch fremde Räucherungen S. 198 leben, als auch bei verschlossenen Luftlöchern zu Grunde gehen können. Und woher ganz zuletzt wißt ihr, ob, werden sie von der Gerüche Annehmlichkeit berührt, ebendieselben ihnen erfreulich sind, welche euch, und ob eure Naturen mit gleicher Empfindung diese berühren wie anregen? kann nicht vielmehr geschehen, daß was euch Lust bringt, ihnen gegentheils scharf und widerlich vorkomme? denn sofern die Götter der Gesinnungen nach verschieden und nicht Einer Wesenheit sind, nach welchen Gründen kann man folgern, das der Beschaffenheit zufolge Verschiedene empfinde und erfasse dieselbe Berührung? Nehmen wir nicht täglich auch bei den irdischen Geschöpfen wahr, wie den verschiedenen dasselbe entweder angenehm oder unangenehm sey; wie diesen tödtlich, was jenen unschädlich; wie was Manchen mit Wohlgeruch erfreut, den Anderen mit Pestdunst anhaucht? Daß aber dieß geschieht und stattfindet, daran ist die Ursache nicht in den Dingen, welche keinesweges zugleich schädlich, zugleich heilsam, zugleich angenehm und zugleich widerlich seyn können; sondern wie Jeder beschaffen ist zur Berührung des von Außen her kommenden Dinges, dergestalt wird er angeregt. Nicht empfängt er die entstandene Beschaffenheit aus der Dinge Anregung, sondern aus seiner Empfindung und Berührung Natur. Alle diese Rücksichten aber sind den Göttern weit entfernt und durch keinen geringen Abstand abgeschieden: denn wenn wahr ist, wie die Weisen annehmen, sie seyen unkörperlich und ließen sich durch keinerlei Kraftvollkommenheit aufrichten, so ist bei ihnen der Geruch vergeblich und nicht vermag irgend eines Duftes Hauch sie sinnlicher Weise zu bewegen; selbst wenn man tausend Pfunde männlichen Weihrauch anzündete und der ganze Himmel sich mit den Nebeln der aufwallenden Dünste umschlösse. Was nämlich keine körperliche Kraft und Wesenheit hat, kann von einer körperlichen Wesenheit nicht berührt werden; der Geruch aber ist ein Körper, wie die Berührung der Nase erweist. Aus keinem Grunde kann also von Gott derselbe empfunden werden, welcher in Wahrheit der Körperlichkeit ledig und aller Sinnlichkeit entnommen ist.
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