Nr. 35
Wenn aber die sterblichen Götter nicht im Stande sind, sich zu erzürnen, sagt man, und keine Gemüthsbewegung derselben Natur erschüttert und heftig bewegt; was wollen dann die Geschichtbücher, die Annnalen, in deren Aufsammlungen wir doch lesen, daß die Götter durch mancherlei Beleidigung bewegt, Pest, Dürre, Hungersnoth und sonstige Drangsale den Städten und Nationen verhängt, daß sie durch der Opfer Sühne besänftigt, wieder des Unwillens Hitze aufgegeben und den Zustand des Himmels wie der Witterung in günstigere Beschaffenheit gewandelt haben? Was sollen die Erdbeben, was jenes unterirdische Tosen, welche, wie wir empfangen haben, sich ereigneten, weil die Spiele mit Nachlässigkeit betrieben und nicht ihrer Form wie Beschaffenheit gemäß besorgt wurden? Da man jedoch dieselben wiederherstellte und mit sorgfältiger Beobachtung wiederholte, so sey das Schrecken der Götter zur Ruhe gekommen und sie wären zur Sorgfalt wie Traulichkeit gegen die Menschen zurückgerufen worden. Wie oftmals hat man auf den Befehl der Wahrsager und zufolge der Aussagen der Haruspices, nach vollbrachtem Opfer sowohl gewisse Gottheiten von überseeischen Völkern hergerufen und ihnen geweihte Räume bereitet, als auch gewisse Zeichen und Bildnisse auf höhere Pfeiler hingestellt; und der androhenden Gefahren Schreck wurde abgewendet, der mächtigste Feind in die Flucht geschlagen; des Staates Wohlfahrt mehrte sich durch vielfache Siegesfeste wie häufigen Besitz von Provinzen? Was freilich nicht geschehen wäre, hätten die Götter die Opfer, die Spiele und den übrigen Kult verschmäht, und fanden sie sich nicht durch derselben Besorgung geehrt. Kältet also, dieß dargebracht, alle Hitze und jeden Groll der Gottheiten ab, wendet sich, was Schrecken zu bringen schien, zum Guten, so ist augenscheinlich, dieß Alles geschähe nicht ohne der Himmlischen Wille und daß solches von uns vollbracht werden solle, tadle man ohne Grund und aus vollkommener Unkunde.
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