Nr. 12
Oder man muß sagen, die Himmlischen sind undankbar, wenn sie, die Verpflichtung der Verhütung habend, zulassen, daß das unglückselige Geschlecht von so vielfachen Peinen und Unfällen erfaßt werde. Und vielleicht mögen sie etwas Tüchtiges aussagen, was man nicht mit trüglichen, leichtfertigen und verschmähenden Ohren aufnehmen soll. Diese Gegenden durcheilen wir aber, weil die Sache überaus langes und vielfaches Reden erfordert, unerforscht und unberührt; nur dieß allein aufgestellt zu haben zufrieden, daß ihr euern Göttern ungebührlichen Schimpf aufbürdet, wenn ihr behauptet, sie gewährten nur dann das Gute und wehrten nicht anders das Feindselige ab, außer zuvor durch der Ziegen und Schafe Blut, wie auch durch die übrigen Dinge, welche man den Altären zubringt, erkauft: denn vorerst ist es unwürdig zu glauben, jene Machtvollkommenheit und Erhabenheit der himmlischen Gottheiten habe ihre Gunstbezeugungen dergestalt feil, daß sie vorher empfange und dann leiste. Hiernächst ist es um so schmutziger, nicht ohne zu empfangen Jemanden zu helfen und zu dulden, daß die Unglückseligen dem Glückswechsel unterliegen, da sie dieß doch verhindern und zum Beistand herbeikommen können. Wenn zwei, wovon der Eine angesehen und S. 187 wohlhabend, der Andere von dürftigem Besitzthum, aber an Unschuld wie Rechtschaffenheit lobenswürdig ist, den heiligen Opferdienst verrichten, so wird jener hundert Rinder und ebensoviel Schafe mit ihren Lämmern, der Arme einigen Weihrauch und sonst etwas Wohlriechendes verbrennen. Wird man nicht schicklicher Weise nun annehmen müssen, wenn die Gottheiten nur nach vorangegangenen Belohnungen Etwas leisten, daß sie ihre Gunst und Hülfe dem Wohlhabenden zuwenden, von dem Armen aber die Augen abwenden, welchen nicht der Wille, sondern seines Besitzthums Nöthigung karg machte? denn wo der Geber feil und lohnsüchtig ist, dort wird nothwendig die Gunst nach der Gabe Größe ertheilt, und die Zustimmung neigt dorthin, woher zu dem Verleiher mehr Lohn und reichlicher unwürdige Bestechung kommen wird. Sie, wenn ferner zwei Völker in Waffen einander gegenüber, mit gleichen Opfern der Götter Altäre reichlich beladen und das Eine fleht wider das Andere ihm Kraft und Beistand zu verleihen; ist nicht abermals nothwendig anzunehmen, sie werden, mittelst des Lohns zum Beistande angelockt, zwischen beiden Partheien unentschlossen schwanken und nicht was zu thun erfinden, da sie ihre Gunst durch die empfangenen Opfer verbunden erkennen? Entweder werden sie die Hülfleistungen hier wie dort leisten; Etwas, das nicht geschehen kann: denn sie kämpfen dann wider sich selbst; strebten wider ihre Gunstbezeugungen und Affekten an. Oder aber sie werden beiden Völkern keine Hülfe leisten; was nach aufgewendetem und empfangenem Lohne ein großes Vergehen ist. Man muß also deßhalb diese ganze Schimpflichkeit von den Göttern forttreiben; und durchaus darf man nicht sagen, sie würden durch Geschenke und Lohn angelockt, gute Zustände zuzuwenden und widerwärtige zu entfernen, wenn sie nur wahrhaftige Götter und in dieses Namens Bedingniß zu setzen sind: denn entweder geschieht, was immer geschehen mag, durch das Verhängnis und die Götter finden keinen Raum für Gunstbuhlerei und Gnadenspendungen; oder es wird das Verhängniß ausgeschlossen und weggestoßen, und dann eignet es der höchsten Würde nicht, die Gunst des guten Werkes und den ertheilten Beistand feil zu bieten.
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