Zweiter Artikel. In den Engeln kann nur die Sünde des Stolzes und des Neides sein.
a) Das scheint nicht so. Denn: I. Wer sich an einer Sünde ergötzen kann; der kann auch die Sünde selber begehen. Die Dämonen aber ergötzen sich nach Augustin (14. de civ. Dei 3.) an den schmutzigsten Fleischessünden. Also können sie auch solche Sünden begehen. II. Wie Stolz und Neid Sünden sind, die im Geiste ihren Sitz haben, so auch die Trägheit, der Zorn, der Geiz. Also auch diese kann der Engel haben. III. Nach Gregor dem Großen (31. moralia cap. 17.) erzeugt der Stolz viele andere Sünden und ähnlich auch der Neid. Also haben die Engel auch diese letzteren, da deren Ursache in ihnen ist. Auf der anderen Seite schreibt Augustin (l. c.): „Der Dämon ist nicht unkeusch oder trunksüchtig oder sonst dergleichen; aber er ist voll von Stolz und Neid.“
b) Ich antworte, eine Sünde könne in jemandem in doppelter Weise sein: Gemäß der Schuld und gemäß der Neigung dazu. Der Schuld nach sind alle Sünden in den Dämonen. Denn da sie die Menschen zu allen Sünden anleiten, so ziehen sie auf sich alle diese Sünden gemäß der Schuld. Sie sind „schuld“ daran. Der Neigung nach aber können nur solche Sünden in den Dämonen sein, zu welchen eine geistige Natur sich hinneigen kann. Sonach können die Engel zu solchen Sünden keine Neigung haben, die auf körperliche Güter sich richten; denn niemand ist zu etwas geneigt, was ihm seiner Natur nach unzuträglich ist. Geistige Güter aber können an und für sich keine Sünde begründen dadurch, daß jemand zu selben hinneigt; sondern nur in dem Falle daß im Streben danach die höhere Richtschnur nicht gewahrt wird. Und das ist die Sünde des Stolzes: nicht in dem nämlich, wo es sich gebührt, dem Vorgesetzten unterworfen sein. Also ist die erste Sünde der Engel der Stolz. Folgegemäß aber konnte in den Dämonen auch der Neid sein. Denn es kommt dies am Ende auf dasselbe hinaus, daß die Neigung sich auf etwas richtet und daß sie vom Gegenteile sich abwendet. Der Neidische nun empfindet deshalb Schmerz über das Gute, was der andere hat, weil er erachtet, es sei dies ein Hindernis für jenes Gute, was er will. Der böse Engel aber konnte nicht das Gute, was ein anderer besitzt als ein Hindernis betrachten für den Besitz des von ihm gewollten, außer insofern er einen einzig hervorragenden Vorrang erstrebte; denn ein solcher einziger und besonderer Vorgang hört auf mit dem einzigen und besonderen Vorrang eines anderen. Und deshalb ist bei ihm, dem bösen Engel, auf die Sünde des Stolzes die des Neides gefolgt; insoweit er über das Gute, was dem Menschen zu teil geworden, Schmerz empfand und ebenso über den einzigen Glanz der göttlichen Majestät, weil Gott desselben sich bediente gegen den Willen des Teufes zur göttlichen Ehre.
c) I. Die Dämonen freuen sich nicht am Schmutze der Fleischessünden, als ob sie selber dazu Neigung hätten; sondern ihre Freude geht aus dem Neide hervor. Sie ergötzen sich daran, daß die Menschen sie begehen, weil sie in hervorragendem Maße ein Hindernis sind für das menschliche Wohl. II. Zum Geize, der nichts Anderes ist als ungeregelte Gier nach Geld und Gut, haben die Dämonen keine Hinneigung, wie auch nicht zu Fleischesfreuden. Geiz ist also im eigentlichen Sinne in ihnen nicht. Sollte aber Geiz genannt werden die ungeregelte Begier nach geschaffenen Gütern im allgemeinen, so ist der Geiz im Stolze enthalten. Der Zorn ist mit sinnlicher Leidenschaft verbunden; er kommt deshalb den Dämonen nur figürlich zu. Die Trägheit des Geistes ist eine gewisse Trauer, wodurch der Mensch wegen körperlicher Arbeit oder Ähnlichem aufgehalten wird in der Geistesthätigkeit; kommt also den Dämonen auch nicht zu. Nur also Stolz und Neid ist in ihnen; so aber daß der Neid nicht für die Leidenschaft des Neides genommen wird, sondern für den geistigen Willen, der sich vom Guten im anderen abwendet. III. Unter dem Stolze und Neide werden zugleich jene Sünden als inbegriffen verstanden, welche von diesen beiden abgeleitet werden.
