46.
Es ist nun aber katholische Lehre, dass der Geist des Christen zuerst mit dem einfachen Glauben genährt werden muss, um ihn so zu befähigen, die überirdischen und ewigen Dinge zu erkennen. So sagt nämlich auch der Prophet (Is. 7,9): Wenn ihr nicht glaubt, werdet ihr nicht verstehen. Dieser einfache Glauben aber besteht darin, bevor man die alles Wissen übersteigende Liebe Christi erkennt und so von der ganzen Fülle Gottes erfüllt wird (cf. Eph. 3,19), daran zu glauben, dass der Heilsplan seiner Erniedrigung, durch den Christus auf menschliche Weise geboren wurde und gelitten hat, aus gutem Grunde so lange voraus von den Propheten mittels eines prophetischen Geschlechts, eines prophetischen Volkes, eines prophetischen Reiches angekündigt wurde, nur deshalb nämlich, weil in jener Torheit, die weiser ist als die Menschen, in jener Schwäche, die stärker ist als die Menschen* (cf. I Kor. 1,25) etwas verborgen ist für unsere Rechtfertigung und für unsere Verherrlichung. Und da sind alle Schätze der Weisheit und der Erkenntnis verborgen (cf. Kol. 2,3), die sich für niemanden öffnen, welcher die durch den mütterlichen Leib vermittelte Speise, d.h. die nährende Milch aus der Brust der Apostel und Propheten verschmäht, und über diese angebliche Kleinkindernahrung die Nase rümpft, als ob er schon längst erwachsen wäre, und dann eher auf das Gift der Häretiker losstürmt, als auf die Speise der Weisheit, für die er sich in seiner Vermessenheit bereits geeignet hält (cf. 251,19). Wenn wir also sagen, der einfache Glaube sei unabdingbar, widerspricht das keinesfalls jener andern Aussage, dass man den Propheten glauben muss; es ist dies vielmehr so zu verstehen, dass man zuerst den Propheten glauben muss, bevor man, nach der Läuterung und Stärkung des Geistes imstande ist, den zu erkennen, der durch die Propheten so gesprochen hat.
