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Selbst die Juden, die sich ja dagegen sträuben, in solch modellhaften Darstellungen nicht nur von Worten sondern auch von Ereignissen Christus angekündigt zu sehen, dessen Leiden wir anerkennen, sie verspotten, selbst sie sind also gezwungen, uns zu sagen, worauf jene Aussagen hinweisen: wenn sie nämlich deren Hinweischarakter leugnen, können sie jene Bücher von so hoher göttlicher Autorität nicht vor der Schmach schützen, als törichte Fabeleien abgetan zu werden. Ein gewisser Philo hat dies erkannt, ein Mann von höchster Gelehrsamkeit, einer von jenen, deren Beredtsamkeit die Griechen ohne Zögern mit jener Platons gleichsetzen, und er versuchte, einige Stellen auf diese Weise zu interpretieren, allerdings ohne darin Christus zu erkennen, an den er ja nicht glaubte, wohl aber um nur noch deutlicher erkennen zu lassen, welchen Unterschied es ausmacht, ob man alles auf Christus hin deutet, dessentwegen es ja in Wahrheit gesagt wurde, oder ob man mit noch so grosser Geistesschärfe beliebige Mutmassungen an Christus vorbei anstellt, und wie gültig doch das Wort des Apostels ist (II Kor. 3,16): Wenn du dich aber dem Herrn zuwenden wirst, wird die Hülle entfernt. Um hier nur ein Beispiel dieser Philonischen Interpretationskunst zu erwähnen: Die Arche aus der Sintflutgeschichte wollte er ja so gedeutet wissen, dass sie nach den Massverhältnissen des menschlichen Körpers erbaut wurde; und so analysierte er sie gleichsam Glied für Glied nach allen Gesichtspunkten. Da er nun also äusserst scharfsinnig auch die Zahlenverhältnisse zu Rate zog, ergab sich für ihn eine so vollkommene Übereinstimmung, dass ihn nichts gehindert hätte, Christus darin zu erkennen, da ja auch er als Retter des Menschengeschlechts im menschlichen Leib erschien, dass ihn anderseits auch nichts zu diesem Schluss zwang, da ja auch der Leib der andern Menschen ein menschlicher Leib ist. Als er aber bei der Türe anlangte, die an der Seite der Arche eingebaut war, da versagte ihm die Auslegungskunst des menschlichen Geistes kläglich. Um dennoch irgendetwas zu sagen, wagte er die Vermutung, dass jenes Tor Sinnbild sei für den Unterleib, wo Urin und Kot ausgeschieden werden; und er wagte es, dies auch noch zu sagen, und er wagte es sogar, es aufzuschreiben. Kein Wunder, dass er sich so gewaltig irrte, da er ja das wahre Tor nicht gefunden hat. Denn wenn er zu Christus übergegangen wäre, hätte sich ihm der Schleier gelüftet, und er wäre auf die Heilsquellen der Kirche gestossen, die aus der Seite jenes Menschen strömten (cf. Joh. 19,34). Da nun aber vorausgesagt ist (gen. 2,24): Sie werden zwei sein in einem Fleisch, bezieht sich auch hier bei der Beschreibung der Arche einiges auf Christus, anderes aber auf die Kirche, und beides zusammen ist Christus. In gleicher Weise könnte man nun auch die Auslegungen aller andern Modellbilder im gesamten Text der göttlichen Schrift analysieren und das Textverständnis jener Interpreten, die in diesen Bildern Christus erkennen, mit dem Textverständnis derjenigen vergleichen, die ihre Deutung an Christus vorbei auf beliebige andere Dinge umzubiegen suchen.
