26.
Wer anders rang in Gestalt des Engels mit Jakob, wobei dieser als schwächerer den scheinbar stärkeren, der die Oberhand über ihn gewann, als Besiegter den scheinbaren Sieger, einerseits segnete, anderseits ihm das Hüftgelenk ausrenkte (cf. Gen. 32,25 ff.), wenn nicht er, der es erdulden musste, dass das Volk Israel über ihn die Oberhand gewann, der dann aber doch einige aus diesem Volk, die an ihn glaubten, segnete, während das ausgerenkte Hüftgelenk Jakobs auf die Masse des fleischlich gesinnten Volkes hinweist?
Wer anders lag in Gestalt jenes Steins unter dem Haupt Jakobs, und wurde, damit die Symbolik gewissermassen im Namen ausgedrückt war, auch noch gesalbt (cf. Gen. 28,11), wenn nicht Christus, das Haupt des Mannes? Denn wer wüsste nicht, dass der Name Christus sich vom griechischen Wort für Salbung herleitet? Im übrigen erinnerte der Herr, als er diese Szene im Evangelium erwähnte und ganz unverhüllt bezeugte, dass er selber hier modellhaft vorgebildet war, – es war damals, als er einen gewissen Nathanael als einen echten Israeliten bezeichnete, als einen Mann ohne Falschheit (cf. Joh. 1,47), worauf dieser bekannte, weil er ihn gleichsam für jenen Stein unter dem Haupt hielt, dass er der Sohn Gottes und der König Israels sei (ib. 49), und mit diesem Bekenntnis gewissermassen den Stein salbte, d.h. bekannte, dass jener Stein Christus sei – der Herr also erinnerte da ganz passend auch noch an das Traumgesicht, das Jakob, der durch die Segnung den Namen Israel bekam (cf. Gen. 32,29), damals (cf. Gen. 28,12 f.) hatte. Er sagte da (Joh. 1,51): Wahrlich ich sage euch: ihr werdet den Himmel geöffnet und die Engel Gottes auf- und niedersteigen sehen über dem Menschensohn. Dies nämlich war das Traumgesicht Israels, als er jenen Stein unter sein Haupt gelegt hatte: er sah eine Leiter von der Erde bis zum Himmel, auf der die Engel Gottes auf und nieder stiegen. In ihnen sind die Evangelisten, die Verkünder Christi, sinnbildlich dargestellt; denn diese steigen ja empor, wenn sie, um die alles überragende göttliche Natur Christi zu erkennen, die gesamte Schöpfung unter sich zurücklassen, um den zu finden, der am Anfang als Gott bei Gott war, durch den alles geworden ist (cf. Joh. 1,1. 3); und sie steigen nieder, um den zu finden, der geboren wurde von einer Frau, geboren unter dem Gesetz, damit er die unter dem Gesetz loskaufe (cf. Gal. 4,4 f.). Denn in Christus besitzen wir die Leiter von der Erde zum Himmel, vom Fleisch zum Geist: die fleischlich Gesinnten werden zu geistig Gesinnten, indem sie in ihm vorankommen, also in ihm gleichsam aufsteigen; und die geistig Gesinnten umgekehrt steigen in ihm gleichsam hinunter, um die fleischlich Gesinnten mit Milch zu nähren (cf. I Kor. 3,2), da sie mit diesen nur als fleischlich, nicht als geistig Gesinnten sprechen können (cf. Ib. 3,1). So ist es der Menschensohn, über den man aufsteigt und niedersteigt: Der Menschensohn ist nämlich droben als unser Haupt, und als das unser Erlöser, und der Menschensohn ist drunten als sein eigener Leib, und als dieser die Kirche; und wir verstehen ihn auch als die Leiter selber, da er ja selber sagte (Joh. 14,6): Ich bin der Weg. Zu ihm empor steigt man also, um ihn in seiner Erhabenheit kennenzulernen, zu ihm hinunter steigt man, um die Kleinen unter seinen Gliedern zu nähren, und über ihn steigt man hinauf und hinunter. Dem Beispiel Christi folgend beschränken sich seine Verkünder ja nicht darauf, sich in die Höhe zu erheben, um majestätisch zu schildern, wie sie ihn dort schauen, sondern sie steigen auch hinunter, um ihn in besonnener Klarheit zu verkündigen. Seht den Apostel, wie er emporsteigt (cf. II Kor. 5,13): Wenn wir von Sinnen waren, geschah es für Gott; seht ihn, wie er hinuntersteigt (ib.): Wenn wir besonnen sind, geschieht es für euch. Und nun mag er noch erklären, über wen er hinauf und hinunter gestiegen ist (ib. 14 f.): Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben, dass einer für alle gestorben ist; also sind alle gestorben; er ist aber für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferstanden ist.
