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Wen aber würde es nicht zum Glauben herausfordern, wen würde es nicht im Glauben belehren, wen nicht darin bestärken, wenn da jene zwei Söhne gesegnet werden, die der Nacktheit ihres Vaters Ehre erwiesen, wenn auch mit abgewandtem Gesicht, um gleichsam zu zeigen, wie sehr ihnen die Tat des unseligen Weinstocks missfiel? Und Noe sagte (gen. 9,26): Gepriesen sei der Herr, der Gott Sems! Obwohl er nämlich der Gott aller Völker ist, wird er mit einer Art Individualbezeichnung Gott Israels genannt, und dies sogar schon bei den Heidenvölkern. Und woher rührt das, wenn nicht aus der Segnung Japheths? Es war ja die Masse der Heiden, mit deren Bekehrung die Kirche sich über den ganzen Erdkreis ausbreitete. Dies, genau dies wurde angekündigt, wenn es hiess (gen. 9,27): Raum schaffe Gott für Japheth, und in den Zelten Sems wohne er! Öffnet die Augen, ihr Manichäer, öffnet die Augen! Ihr überblickt den ganzen Erdkreis: darüber staunt ihr, das schmerzt euch, dass Gott Raum schafft für Japheth inmitten unserer Völker. Schaut, ob er nicht in den Zelten Sems wohnt, d.h. in den Kirchen, die von den Aposteln, den Söhnen der Propheten gebaut wurden! Hört euch an, was Paulus den schon zum Glauben gelangten Heiden sagt (Eph. 2,12): Die ihr in jener Zeit von Christus getrennt wart, von der Gemeinschaft Israels ausgeschlossen und Fremdlinge für die Bünde und Verheissungen, ohne Hoffnung und ohne Gott in dieser Welt! Mit diesen Worten wird gezeigt, dass Japheth noch nicht in den Zelten Sems wohnte. Doch achtet nun darauf, wie Paulus kurz nachher abschliesst (Eph. 2,19 f.): Also seid ihr schon nicht mehr Fremde und ohne Bürgerrecht, sondern Mitbürger der Heiligen und Hausgenossen Gottes. Ihr seid auf das Fundament der Apostel und der Propheten gebaut, und den obersten Eckstein bildet Christus Jesus. Da seht ihr, wie für Japheth Raum geschaffen wird, wie er nun in den Zelten Sems wohnt! Und an den Briefen der Apostel, durch die all dies bezeugt wird, hält ihr ja fest, ihr lest sie, ihr verkündet sie! Wo anders könnte ich nun euch einordnen, wenn nicht an jener Stelle in der Mitte, die verflucht ist, für die Christus nicht der Eckstein ist? Denn wir erkennen euch weder in jener Wand, die von der Beschneidung her den Glauben zu Christus fand, woher auch die Apostel kamen, noch in der andern von der Vorhaut her, woher all jene Menschen aus sämtlichen Völkern kommen, die zur Einheit des Glaubens, gleichsam zum Frieden, der in jenem Eckstein liegt, hinstreben. Aber auch all jene, die zwar die Bücher unseres Kanons, in denen gezeigt wird, dass Christus als sterblicher Mensch geboren wurde und gelitten hat, allesamt anerkennen und lesen, doch seine sterbliche Natur, die im Leiden entblösst wurde, nicht – im Mysterium der Einheit mit uns verbunden – ehrerbietig verhüllen, sondern, ohne zu wissen, was Ehrfurcht und Liebe bedeutet, öffentlich preisgeben, woher wir alle stammen: auch diese also sind, mögen sie untereinander noch so uneins sein, etwa die Juden und die Häretiker, oder die Häretiker unter sich, für die Kirche von Nutzen, allerdings nur in der einen Funktion als dienstbare Geister, etwa um für irgendetwas Zeugnis abzulegen, oder für irgendetwas einen Nachweis zu liefern. Wurde nicht über die Häretiker auch folgendes gesagt (I Kor. 11,19): Es muss aber auch Häresien geben, damit die Erprobten unter euch sichtbar werden. Wohlan denn, schleudert eure Verleumdungen gegen die Heiligen Schriften des Alten Testaments, tut dies, ihr Sklaven Chams! Wohlan also, nachdem euch das Fleisch, aus dem ihr geboren seid, durch seine Entblössung verächtlich geworden ist! Denn ihr könntet euch ja in keiner Weise Christen nennen, wenn nicht Christus, so wie es von den Propheten angekündigt war, in die Welt gekommen wäre, wenn er nicht von seinem Weinstock jenen Becher getrunken hätte, der nicht an ihm vorübergehen konnte (cf. Mt. 26,42), wenn er nicht entschlafen wäre in seinem Leiden, gleichsam in der Trunkenheit seiner Torheit, die weiser ist als die Menschen (cf. I Kor. 1,25), und wenn so nicht die Schwäche seines sterblichen Fleisches, die stärker ist als die Menschen (cf. I Kor. 1,25) durch den verborgenen Ratschluss Gottes entblösst worden wäre; und wenn das Wort Gottes diese nicht angenommen hätte, gäbe es ja die Bezeichnung Christ, deren auch ihr euch rühmt, überhaupt nicht auf der Erde. Wohlan denn, tut dies, wie ich euch sagte (353,10); gebt voller Hohn preis, was wir voller Hochachtung verehren: so kann die Kirche gleichsam eure Hilfsdienste benutzen, damit die Erprobten in ihr sichtbar werden (cf. I Kor. 11,19)! Jene Propheten haben so lückenlos all das angekündigt, was diese Kirche einmal erfahren oder erdulden wird, dass wir auch euch dort an eurem Platz finden mit eurer Grosstuerei, die sowohl gefährlich ist, weil sie die Wankelmütigen anzieht, als auch nützlich, weil sie die Erprobten sichtbar macht.
