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Wenn sie aber Christus prophezeiten, dann entsprach ihre Lebensführung in keiner Weise ihrem Prophetenamt (330,2). Woher wisst ihr das? Könnt ihr etwa beurteilen, was es heisst, gut oder schlecht zu leben, wo eure Gerechtigkeit eher darin besteht, einer empfindungslosen Melone zu Hilfe zu eilen, indem ihr sie selber verspeist, als einem hungrigen Bettler, indem ihr ihm etwas zu essen gebt? Bevor aber die Kleinen unter den Katholiken wissen, was die vollkommene Gerechtigkeit der menschlichen Seele ist, und welch ein Unterschied besteht zwischen der Gerechtigkeit, die man ersehnt, und jener, die hier auf der Erde gelebt wird, genügt es für sie, über jene Männer das zu denken, was die gesunde Lehre des Apostels ans Herz legt: Wer aus dem Glauben gerecht ist, lebt (cf. Rm. 1,17/ Hab. 2,4). ‛Abraham aber glaubte Gott und es wurde ihm als Gerechtigkeit angerechnet’ (Gal. 3,6/ Gen. 15,6). Da nämlich die Schrift vorhersah, dass Gott die Heiden aufgrund des Glaubens gerecht macht, hat sie dem Abraham zum voraus verkündet: ‛In deinem Nachkommen werden gesegnet alle Völker’ (Gal. 3,8/ cf. Gen. 12,3; 18,18). Dies sind die Worte des Apostels. Wenn euch diese so klare und allen bestbekannte Aussage des Apostels aus euren Wahnvorstellungen, die nichts als Betrug sind, aufwachen liesse, würdet ihr den Spuren unseres Vaters Abraham folgen und in seinem Nachkommen gesegnet sein mit allen Völkern. Denn dieser empfing, wie der Apostel sagt (Rm. 4,11 f.), das Zeichen der Beschneidung als Siegel der Glaubensgerechtigkeit, die er schon als Unbeschnittener hatte, sodass er gleichzeitig der Vater aller ist, die als Unbeschnittene glauben, damit es auch ihnen als Gerechtigkeit angerechnet werde, wie auch der Vater jener Beschnittenen, die nicht nur Beschnittene sind, sondern zugleich den Spuren des Glaubens unseres Vaters Abraham folgen, der in seinem Unbeschnittensein begründet ist.
Statt an ihm herumzumäkeln sollten wir also besser verstehen lernen, wie jener gelebt hat, dessen Glaubensgerechtigkeit uns als nachahmenswertes Beispiel vor Augen gestellt ist, damit auch wir, gerechtfertigt aus dem Glauben, den Frieden auf Gott hin haben; sonst könnte uns widerfahren, dass wir als Fehlgeburt aus dem Schoss unserer Mutter Kirche herausfallen, noch bevor wir als lebensfähige Leibesfrucht, wohlgeformt und ausgereift, geboren würden.
