Zweiter Artikel. Die Vorherbestimmung prägt nichts positives in die Vorherbestimmten ein.
a) Das Gegenteil scheint der Wahrheit mehr zu entsprechen. Denn: I. Jedem Wirken entspricht ein Empfangen, also demgemäß auch eine Veränderung in dem Gegenstande des Einwirkens. Ist also die Vorherbestimmung als lebenbig wirkend in Gott; so muß ihr im Vorherbestimmten etwas entsprechen. II. Origenes sagt (super Rom. I. qui praedestinatus est) : Vorherbestimmen wird gesagt rücksichtlich dessen, was nicht ist; bestimmen rücksichtlich dessen, was ist.“ Und Augustin schreibt (de prraed. Sanctor.): „Was ist anders die Vorherbestimmung wie die Bestimmung dessen, was einmal existiert.“ Die Vorherbestimmung also hat immer zum Gegenstande etwas Existierendes und somit prägt sie etwas Positives dem Vorherbestimmten ein. III. Die Vorbereitung ist etwas in dem, was vorbereitet wird. Die Vorherbestimmung wird aber von Augustin (2. de praed. Sanctor. cap. 14.) genannt: „Die Vorbereitung der Wohlthaten Gotte».“ IV. Etwas Zeitliches wird nicht in die Begriffsbestimmung von etwas Ewigem gesetzt. Die Gnade aber, etwas Zeitliches, wird in die Definition der Vorbestimmung gesetzt; denn es wird gesagt, letztere sei die Vorbereitung der Gnaden hier auf Erden und der Herrlichkeit da oben. Also die Vorherbestimmung ist nichts Ewiges; und somit ist sie nicht in Gott, sondern in den Vorherbestimmten. Denn was in Gott ist, das ist ewig. Auf der anderen Seite sagt Augustin (I. c.): „Die Vorherbestimmung ist das Vorherwissen der Wohlthaten Gottes.“ Das Vorherwissen aber ist nicht im Vorhergewußten, sondern im Vorherwissenden. Also auch die Vorherbestimmung ist nichts in den Vorherbestimmten, sondern im Vorherbestimmenden.
b) Ich antworte, daß die Vorherbestimmung ein Teil der Vorsehung ist. Die Vorsehung aber ist, wie oben (Kap. 22, Art. 1) gezeigt worden, im Vorsehenden; nicht in dem, wofür Vorsorge getroffen wird. Also ist die Vorherbestimmung auch nur im Vorherbestimmenden und nicht im Vorherbestimmten. Die Ausführung aber der Vorsehung, die Leitung also oder Regierung, ist in dem, was regiert wird, wie im Empfangenden und Leidenden, und in dem, der da regiert, wie im Wirkenden und Bestimmenden. Und demgemäß ist auch die Ausführung der Vorherbestimmung, d. h. der Ordnung, welche im Geiste des Vorherbestimmenden besteht, wie im Empfangenden und zu Regelndem in dem Vorherbestimmten, wie im Wirkenden und Regelnden in Gott. Die Ausführung der Vorherbestimmung aber ist die „Berufung“ und die „Verherrlichung“; wie Paulus fortfährt: „Die Er aber berufen, die hat Er auch verherrlicht.“ I. Die Thätigkeiten, deren Schlußpunkt der äußere Stoff ist, wie Wärmen, Schneiden, Sägen, bringen in ihrem Begriffe ein Leidden und Bestimmtwerden des Stoffes mit sich; nicht aber jene Thätigkeiten, welche im thätigen Vermögen selbst sich durchaus vollenden, wie Erkennen, Wollen. Und zu diesen Thätigkeiten gehört die Vorherbestimmung. Deshalb prägt sie nichts den Vorherbestimmten ein; sondern die Ausführung thut dies. Diese prägt in die äußeren Dinge, in welche sie übergeht, eine Wirkung ein. II. Etwas „Bestimmen“ kann genommen werden für das wirkliche Hinlenken eines Dinges zu seinem Ziele; — und nach dieser Seite hin ist die Bestimmung in dem, was existiert. „Etwas Bestimmen“ kann ferner genommen werden als Auffassung, gemäß welcher wir in uns bestimmen, was dem Geiste fest innewohnt. In dieser Weise heißt es 2. Makkab. 6, 20.: „Eleazarus hatte in seinem Herzen bestimmt, nichts Unerlaubtes zuzulassen aus Liebe zum Leben.“ Und so kann „Bestimmen“ auch das betreffen, was nicht ist. Und doch kann, wie auch immer das „Bestimmen“ genommen wird, die „Vorherbestimmung“ das betreffen, was nicht ist; und zwar auf Grund ihres Vorhergehens. III. Zweifach ist eine Vorbereitung: 1. Die des Leidenden und Bestimmbaren, damit es leide und die Bestimmung aufnehme — und diese ist im Vorbereiteten; 2. die des Wirkenden, daß er einwirkt — und diese ist im Vorbereitenden. Zu der letzten Art gehört die Vorherbestimmung, der gemäß eine wirkende Ursache sich gleichsam vorbereitet zum Wirken und vorher auffaßt, was und wie sie wirken soll. So hat von Ewigkeit her Gott durch die Vorherbestimmung „vorbereitet“ das Los der Seligen. IV. Die Gnade ist nicht in der Definition der Vorherbestimmung, als ob sie zu deren Wesen gehörte; sondern insofern die Vorherbestimmung eine Beziehung mit sich bringt zur Gnade, wie die Ursache zur Wirkung Beziehung hat und das Wirken zum Gegenstande. Die Vorherbestimmung ist also nichts Zeitliches.
