Siebenter Artikel. In den Engeln bleibt die natürliche Kenntnis und die natürliche Liebe.
a) Dem steht entgegen: I. 1. Kor. 13, 10.: „Wenn das Vollkommene kommt, wird entleert, was nur teillweise ist.“ II. Wo eines genügt, ist das andere überflüssig. In den Engeln genügt das selige Schauen und Wollen. Also ist natürliches Erkennen und Wollen überflüssig. III. Dasselbe Vermögen hat nicht zwei Akte, sowie ein und dieselbe Linie nicht zugleich in zwei Endpunkte mündet. Die seligen Engel aber sind immer im Akte des seligen Schauens und Liebens, da die Seligkeit nie ein gewohnheitsmäßiger Zustand sein kann, sondern immer Thätigkeit ist. (1 Ethic. 8.) Auf der anderen Seite bleibt die Thätigkeit einer Natur, wo die Natur selber bleibt. Die Seligkeit aber hebt nicht die Natur auf, sondern ist deren Vollendung. Also bleibt im Engel das natürliche Erkennen und Wollen.
b) Ich antworte, daß bei den Engeln die natürliche Kenntnis und Liebe in der Seligkeit bestehen bleibt. Denn wie sich die Principien der betreffenden Thätigkeiten verhalten, so verhalten sich auch diese Thätigkeiten selber. Offenbar aber steht die Natur zur Seligkeit in Beziehung wie ein Princip, also wie ein Erstes, zu dem, was hinzugefügt wird. Natürlich muß da das Erste immer bestehen bleiben, solange das Hinzugefügte dauert. Also muß in der Seligkeit die Natur bestehen bleiben und ebenso ihre Thätigkeit.
c) I. Die hinzukommende Vollendung hebt bloß auf die ihr entgegengesetzte Unvollkommenheit. Die Unvollkommenheit der Natur aber steht der Vollkommenheit der Herrlichkeit nicht entgegen, sondern ist das Substrat der letzteren. Und nicht wird durch die Form das Vermögen weggenommen. wie durch die Idee nicht das Vernunftvermögen; wohl aber der Mangel, der früher dem Vermögen anhaftete. Und ähnlich ist die natürliche Kenntnis nicht entgegengesetzt der seligen Anschauung. Denn es ist kein Hindernis dafür da, daß etwas auf zwei Wegen erkannt werde; — nämlich in einem Princip, von dem es nur mit Wahrscheinlichkeit abgeleitet wird; und in einem Princip, aus dem es mit Sicherheit folgt. Ebenso kann der Engel also Gott erkennen kraft des göttlichen Wesens und zugleich kraft der eigenen Engelnatur. II. Die Seligkeit und was zu ihr gehört genügt für sich allein. Aber damit sie Sein habe, wird eine Natur und was zu dieser gehört, vorher erfordert. Denn nur die ungeschaffene Seligkeit ist ein Für-sich-bestehen. III. Zwei Thätigkeiten können in einem Vermögen zusammen bestehen, von denen die eine zur anderen in Beziehung steht. Das natürliche Erkennen und Wollen des Engels aber ist untergeordnet dem Schauen und der Liebe der Herrlichkeit. Beides besteht also zusammen: das Natürliche und die Herrlichkeit.
