Achter Artikel. Der selige Engel kann nicht sündigen.
a) Dagegen: I. Wird von der Seligkeit keineswegs die Natur aufgehoben; der Natur aber gehört es zu, fallen zu können. II. Der Wille des Engels hört nicht auf, vernünftig zu sein. Vermögen aber, die vernünftig sind, verhalten sich gleichmäßig zu den beiden Teilen eines Gegensatzes: sie können und können auch nicht. Also kann der Wille des Engels sich auf das Gute oder auf das Böse richten. III. Zur Freiheit gehört, daß der Mensch zwischen Gutem und Bösem wählen kann. Diese Freiheit wird nicht gemindert in den seligen Engeln. Auf der anderen Seite sagt Augustin (11. sup. Gen. ad litt. 7.), daß jene Natur, welche nicht sündigen kann, in den heiligen Engeln ist.
b) Ich antworte, daß die seligen Engel nicht sündigen können. Der Grund davon ist, daß ihre Seligkeit in der Anschauung Gottes kraft des göttlichen Wesens besteht. Das Wesen Gottes aber ist das Wesen der Güte. So also verhalten sich die Gott anschauenden Engel zu Gott; wie jeder von uns, die wir nicht Gott schauen, zum Guten im allgemeinen oder zur Natur des Guten. Unmöglich aber kann jemand etwas wirken, wenn er nicht irgend welches Gut, ein bloß erscheinendes oder ein wirkliches, vor Augen hat; nie kann er vom Guten als vom Zwecke sich losmachen. Der selige Engel also kann nicht wollen oder wirken außer daß er auf Gott, das Wesen der Güte, als auf den Zweck schaue: und so kann er weder im Wollen noch im Wirken, also in keiner Weise sündigen.
c) I. Das geschaffene Gut kann in sich betrachtet fallen; aber infolge der Verbindung mit dem ungeschaffenen Gute, also in der Seligkeit, erlangt es dies, nicht mehr fallen zu können. II. Die vernünftigen Vermögen verhalten sich nicht indifferent zu dem, wozu sie kraft ihrer Natur Beziehung haben. Die Vernunft nämlich muß den ersten allgemeinen Principien zustimmen, der Wille kann nur auf Gutes sich richten; wie ja auch das Auge nur sehen kann. Der Wille also in den Engeln ist gleichgültig gegen das Geschöpfliche, was er wirken oder wollen soll. Aber Gott gegenüber, den sie als Wesen aller Güte schauen, können sie nicht gleichgültig sein. Vielmehr bestimmen sie sich gemäß seinem Willen, was auch immer für einen Teil des Gegensatzes sie erwählen. III. Der freie Wille verhält sich zu dem Zweckdienlichen, wie die Vernunft zu den Schlußfolgerungen. Offenbar aber gehört es zur Vollendung der Vernunft, daß sie gemäß den gegebenen Principien zu verschiedenen Schlußfolgerungen gelangen kann. Daß sie aber eine Folgerung zieht und dabei die Ordnung, welche aus den Principien fließt, nicht einhält; das rührt von ihrer Mangelhaftigkeit her. Das also der freie Wille Verschiedenes erwählen kann gemäß der Richtschnur des Zweckes, das ist Vollkommenheit. Daß er aber von der Ordnung des Zweckes abfällt bei seinem Auswählen und somit sündigt; das ist ein Mangel in der Freiheit. Größer also ist die Freiheit der Engel, die nicht sündigen können; als die unsrige, mit der wir sündigen können.
