Erster Artikel. In Gott besteht ein Wille.
a) Ein Wille scheint in Gott völlig überflüssig zu sein. Denn: I. Der Gegenstand des Willens ist das Gute und der Zweck. Gott aber kann kein Zweck zugeschrieben werden. Also ist in Gott kein Wille. II. Der Wille ist ein Begehren. Das Begehren aber richtet sich auf einen Gegenstand, den man nicht hat und bezeichnet eine Vollkommenheit, die sich in Gott nicht finden kann. Also ist in Gott kein Wille. III. Der Wille ist nach Aristoteles (3 de an.) „ein bewegendes Element, das selber von etwas Anderem in Bewegung gesetzt worden. Gott ist aber der unbewegliche, der Alles Bewegende.“ (8. Phys.) Also ist in Gott kein Wille. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Röm. 12, 2.): „Damit ihr erprobet, welches der Wille Gottes sei.“
b) Ich antworte, daß in Gott Wille sei, sowie in Ihm Vernunft ist; denn der Wille begleitet die Vernunft. Sowie nämlich jegliches Ding in der Natur thatfächliches Sein hat vermittelst seiner Wesensform; so ist die Vernunft eine thatsächlich erkennende vermittelst ihrer Erkenntnisform. Jedes Ding aber hat dieses Verhältnis zu der bestimmenden Form seiner Natur, daß, wann es dieselbe nicht besitzt, es danach strebt; und besitzt es selbige, in ihr Ruhe hat. Dasselbe gilt, von jeder natürlichen Vollendung, die nichts Anderes als das Gute für die Natur ist. Dieses Verhältnis nun wird im Bereiche der Dinge, welche der Erkenntnis ermangeln, naturnotwendige Hinneigung genannt. Sonach steht auch die vernünftige Natur im selbigen Verhältnisse zur Erkenntnisform in der Vernunft, daß sie nämlich, wenn sie dieselbe besitzt, in ihr ruht; wenn sie derselben entbehrt, danach strebt; — und diese beide Momente eben gehören, dem Willen an. Und demgemäß besteht ein Wille in jedemWesen, das, erkennt; wie eine tierische Neigung da besteht, wo Sinne sind. Damit muß nun in Gott ebensogut „Wille“ sein, wie Vernunft; und wie sein Erkennen sein Sein ist, so auch sein Wollen.
c) I. Obgleich in Gott nichts Anderes ist der Zweck und Er selbst, so ist Er doch der Zweck von allem, was von Ihm geschaffen wird; und zwar ist Er dies kraft seines Wesens, da Er kraft seines Wesens gut ist. Das Gute aber ist das Wesen des Zweckes. II. Auch unser Wille ist nicht bloß in der Weise bethätigt, daß er danach strebt, was er nicht hat; sondern er ergötzt sich auch, und ruht aus in dem, was er besitzt. Und Diese letzte Thätigkeit allein hat der Wille Gottes, welcher sein Gut immer hat, da sein Willen sein Sein ist. III. Wenn der Gegenstand des Wollens außerhalb des Wollenden ist, so wird der Wille natürlich daburch bewegt oder angeregt. Gott aber ist seine eigene Güte. Also wird Er bloß von Sich aus bestimmt. Nur in dem Sinne kann von Ihm ausgesagt werden, Er bewege Sich selbst; wie (vgl.) das Erkennen und Wollen gewissermaßen kraft einer gewissen Ähnlichkeit „Bewegung“ genannt wird.
