Zehnter Artikel. Gott hat freien willen.
a) I. Dagegen schreibt Hieronymus (in hom. des filio prodigo et ep. 146. ad Damasum): „Gott allein steht als das Wesen da, in dem keine Sünde Platz findet, noch Platz finden kann; die übrigen vernünftigen Wesen, da sie freien Willen haben, können zum Guten oder zum Bösen sich hinneigen.“ II. Der freie Wille ist die Fähigkeit der Vernunft und des Willens zusammen, das Gute oder das Böse zu wählen. Gott aber will das Böse nicht. Also hat Er keinen freien Willen. Auf der anderen Seite sagt Ambrosius (II. de fide cap. 3.): „Der heilige Geist teilt jedem Einzelnen zu, wie Er will; nach seinem freien Ratschlüsse, nicht nach einem Gesetze der Notwendigkeit.“ l>) Ich antworte, daß wir freien Willen haben rüccksichtlich dessen, was wir nicht mit Naturnotwendigkeit wollen. Denn zum Bereiche des freien Willens gehört es nicht, daß wir glücklich sein wollen, sondern zur Hinneigung der Natur. Da also Gott aus Notwendigkeit seine Güte liebt, das andere aber nicht aus Notwendigkeit, so hat Er rücksichtlich des letzteren freien Willen. I. Hieronymus schließt von Gott nur insoweit den freien Willen aus, als derselbe zur Sünde sich neigen kann. II. Das Übel der Schuld besteht in der Abwendung und Entfernung von der göttlichen Güte. Also kann Gott die Sünde nicht wollen. Und trotzdem verhält Er Sich von seinem Wesen aus auch gleichmaßig zu einem Gegensatze, indem Er von Sich aus ebenso wollen kann, daß dies sei oder auch, daß es nicht sei; wie wir wollen können das Sitzen oder auch das Nichtsitzen.
