Zwölfter Artikel. Dem göttlichen Willen kommen fünf Zeichen zu.
a) Es scheinen ganz mit Unrecht fünf verschiedene Zeichen angenommen zu werden rücksichtlich des göttlichen Willens; nämlich: Verbot, Gebot, Rat, Wirksamkeit, Erlaubnis. Denn: I. Dasselbe was Gott gebietet oder anrät, das wirkt Er auch zuweilen in uns; und ganz dasselbe, was Er verbietet, das erlaubt Er zuweilen. AIso ist das keine Einteilung, als ob dies einander entgegenstehende und untereinander sich unterscheidende Zeichen wären. II. Gott wirkt nichts außer wollend (Sap. 11.), also aus Wohlgefallen. Der Wille des Zeichens aber soll unterschieden sein vom eigentlichen Willen, dem Wohlgefallen. Also darf die Wirksamkeit kein Zeichen genannt werden. III. Wirksamkeit und Erlaubnis erstreckt sich gemeinhin auf alle Kreaturen; denn in allen wirkt Gott etwas und in allen erlaubt Er etwas. Gebot, Verbot, Rat aber, erstrecken sich nur auf die vernünftigen Kreaturen. Also scheint dies keine angemessene Einteilung zu sein; da die Dinge, welche dadurch umfaßt werden, nicht zu einer einheitlichen Seinsordnung gehören. IV. Das Übel geschieht in mehrfacherer Weise wie das Gute. Denn das Übel wird durch jeglichen Mangel hergestellt; das Gute, aber immer nur durch die allseitige Vollendung. Unzulässig ist es also, rücksichtlich des Übels nur ein Zeichen anzunehmen: das Verbot; rücksichtlich des Guten aber zwei: das Gebot und den Rat.
b) Ich antworte, ein solches Zeichen des göttlichen Willens werde jenes genannt, wodurch wir auszudrücken pflegen, daß wir etwas wollen. Es kann aber jemand ausdrücken, er wolle etwas, entweder durch sch selbst oder durch einen anderen. Durch sich selber drückt er aus, wenn er etwas für sich und unmittelbar oder mittelbar ünd nebensächlich unter Beziehung auf rein äußerliche Umstände thut. Unmittelbar geschieht dies; wenn er für sich etwas thut; — und mit Rücksicht darauf wird als Zeichen gesetzt: die Wirksamkeit. Mittelbar und nebensächlich; wenn er etwas nicht hindert, obgleich er es hindern könnte; wie derjenige, der eine Säule fortnimmt, mittelbar die Ursache ist, daß der daraufliegende Stein herabfällt. Denn obgleich der Stein aus sich heraus, vermöge seiner Natur fällt, hat jener, der die Säule fortbewegt doch das Hindernis entfernt, welches dem Falle des Steines sich entgegenstellte; — und mit Rücksicht darauf wird als Zeichen gesetzt: die Erlaubnis. Durch einen anderen aber erklärt jemand, daß er etwas wolle; insofern er einem Anderen befiehlt, etwas zu thun oder verbietet; oder etwas zu thun anrät. Und weil wir nun durch diese fünf Zeichen ausdrücken, daß wir innerlich etwas wollen, so werden diese fünf Zeichen manchmal mit dem Namen des göttlichen Willens bezeichnet. Daß nun das Gebot, der Rat und das Verbot „göttlicher Wille“ genannt wird, geht hervor aus Matth. 6, 10.: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel also auch auf Erden.“ Daß aber auch die Erlaubnis und die Wirksamkeit „Gottes Wille“ genannt wird, ist klar aus Augustin (Enchir. cap. 95.): „Nichts geschieht als das, was der Allmächtige geschehen lassen will entweder dadurch, daß er es erlaubt und zuläßt, daß es geschieht; oder daß Er es selbst wirkt.“ Es kann aber auch so gesagt werden: Erlaubnis und Wirksamkeit beziehen sich auf die Gegenwart; erstere auf das Übel, letztere auf das Gute. Auf die Zukunft bezieht sich das Verbot rücksichtlich des Übels; das Gebot rücksichtlich des Guten. Rücksichtlich des überfließenden Guten gilt der Rat.
c) I. Nichts hindert es, mit Rücksicht auf ein und dasselbe Subjekt nach verschiedenen Seiten hin auszudrücken, man wolle etwas; wie ja viele Namen gefunden werden, welche ein und dasselbe nach verschiedenen Seiten und unter verschiedenen Beziehungen bezeichnen. Deshalb kann ein und dasselbe Subjekt dem Erlauben, Wirken, Verbieten etc. nach verschiedenen Seiten hin unterliegen. II. Es kann figürlich von Gott ausgesagt werden, daß Er das wolle, was Er nicht mit seinem Willen im eigentlichen Sinne betrachtet will. Und ebenso kann figürlich von Ihm ausgesagt werden, daß Er wolle, was Er mit seinem Willen im eigentlichen Sinne betrachtet will. Deshalb kann von ganz demselben der eigentliche Wille gelten, das innere Wohlgefallen nämlich — und der Wille des Zeichens; nur die Auffassung ist dabei verschieden. Die letztere ist nach unserer Seins- und Anschauungsweise, nämlich nach der Weise, unseren Willen zu bezeichnen, genommen; die erstere gemäß der Seinsweise Gottes, wo der Wille reines Sein ist und kein Zeichen. Die Wirksamkeit ist nun immer eins mit dem Wohlgefallen, nicht aber das Gebot oder der Rat; sowohl weil die Wirksamkeit auf die Gegenwart geht, Rat und Gebot aber auf die Zukunft, als auch weil die Wirksamkeit an sich die Wirkung des Willens ist, Rat und Gebot aber durch die Wirksamkeit eines anderen vollzogen wird. III. Die vernünftige Kreatur ist Herrin über ihr Wirken; deshalb gelten von ihr besondere Zeichen. IV. Alles Übel der Schuld kommt darin überein, daß es entfernt vom göttlichen Willen; und deshalb ist da nur ein Zeichen: das Verbot. Rücksichtlich des Guten aber giebt es Verschiedenheiten. Denn es sind Dinge vorhanden, ohne welche wir zur Anschauung Gottes nicht gelangen können; — und dafür ist das Gebot. Andere Dinge aber sind vorhanden, die in mehr vollkommenr Weise dazu führen; — und dafür ist der Rat. Oder auch kann gesagt weden, der Rat richte sich sowohl auf die Erreichung größerer Güter wie auf das Vermeiden kleiner Übel.
