Dritter Artikel. Der Wille Gottes und die Freiheit.
a) Daß Gott alles, was Er will, mit Notwendigkeit will, scheint aus folgendem hervorzugehen: I. Alles, was ewig ist, ist notwendig. Was aber Gott will, das will Er von Ewigkeit; sonst wäre sein Wille veränderlich. Also will Er alles mit Notwendigkeit. II. Gott will anderes als Er selbst ist, nur auf Grund seiner Güte. Seine Güte aber will Er notwendig. Also auch das andere will Er kraft Notwendigkeit. ill. In Gott kann nichts sein außer seiner Natur, denn Er ist seine Natur. Da es Ihm somit natürlich ist zu wollen, was Er will, so muß Er dies notwendig wollen. Denn was Gott natürlich ist, ist notwendig, da Gott seiner Natur nach das Princip aller Notwendigkeit ist. IV. Was nicht notwendig ist, das ist möglich, auch nicht zu sein. Wenn es also für Gott nicht notwendig ist, das zu wollen, was Er will; so ist es möglich, daß Er es auch nicht will und möglich daß Er will, was Er thatsächlich nicht will. Also wird Gottes Wille unbestimmt, gleichgültig, indifferent sein für Sein und Nichtsein und somit unvollkommen. V. Zudem muß, wenn der Wille Gottes an sich unbestimmt und indifferent ist, derselbe von außen her von etwas Anderem aus bestimmt werden; und so wird Er eine Ursache anerkennen müssen, die vor Ihm besteht. VI. Was Gott weiß, das weiß Er mit Notwendigkeit. Der Wille Gottes ist aber ebensogut sein Wesen wie das Wissen Gottes das göttliche Wesen ist. Also will auch Gott mit Notwendigkeit. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (Ephes. 1, 11.): „Der da alles wirkt gemäß dem Ratschlüsse seines Willens.“ Was aber aus dem Ratschlüsse hervorgeht, also das Ergebnis einer Beratung ist, das geschieht nicht aus Notwendigkeit.
b) Ich antworte, daß „notwendig“ etwas in zweifacher Weise genannt wird: Einmal in unbeschränkter, absoluter Weise; — dann unter gewisser Voraussetzung und nur in Beziehung auf etwas. Notwendig im ersten Sinne ist etwas auf Grund des Verhältnisses, in welchem die termini, Subjekt und Prädikat, zueinander stehen; sei es daß das Prädikat in die Begriffsbestimmung des Subjekts eintritt, wie z. B. „der Mensch ist sinnbegabt“, sei es daß da« Subjekt zum Wesen des Prädikates gehört und dieses weiter erklärt, wie z. B: die Zahl ist entweder gleich oder ungleich. So aber ist es nicht notwendig, daß „Sokrates sitzt“. Letzteres ist also nicht ohne alles weitere notwendig, sondern nur unter der Voraussetzung daß er einmal nun sitzt, ist es notwendig, daß er nun sitzt; denn dasselbe kann nicht zugleich sein und nicht, sein in derselben Beziehung. Wird dieser Unterschied auf Gott angewendet, so ergjebt sich, daß Er seine eigene Güte gemäß der ersten Art Notwendigkeit will, weil diese der eigenste Gegenstand seines Willens ist; wie unser Wille ebenfalls mit Notwendigkeit das Glück im allgemeinen will und wie für das Auge die Farbe oder das Gefärbte als gewollter Gegenstand notwendig ist. Anderes aber wie Er selbst will Gott, insofern es auf seine Güte wie auf den Zweck sich bezieht. Was aber Mittel zum Zwecke ist, das wollen wir nicht notwendig, außer wenn ohne dasselbe der Zweck nicht erreicht werden kann; wie wir z. B. das Schiff wollen, wenn wir über das Meer müssen, oder die Speise, um zu leben. Wenn aber der Zweck ohne diese Mittel bestehen kann, so wollen wir die betreffenden Mittel nicht mit Notwendigkeit; wie z. B. wir das Pferd nicht mit Notwendigkeit wollen, wenn wir einen Spaziergang vorhaben, denn ohne ein solches können wir den gewollten Zweck erreichen. Daraus folgt, daß der Wille Gottes, der in sich ganz vollendet ist und nichts außer sich selber notwendig hat, nichts Anderes mit Notwendigkeit will gemäß der ersten Art Notwendigkeit, nämlich ohne alles Weitere und von vornherein. Wohl aber kann Er keineswegs nicht wollen unter der Voraussetzung daß Er einmal will; denn sein Wille ist unveränderlich. I. Damit erledigt sich der erste Einwurf. Gott will allerdings von Ewigkeit und unveränderlich; aber nicht mit absoluter Notwendigkeit; sondern vorausgesetzt daß Er einmal so und nicht anders will. II. Die Güte Gottes kann ohne alles Andere sein. Also wenn auch Gott auf Grund seiner Güte anderes will, so folgt nicht, daß Er mit Notwendigkeit will. III. Gott ist es durchaus nicht von vornherein natürlich, daß Er etwas Anderes will, wie das, wozu Er notwendig hinneigt. Es ist Ihm aber auch nicht gegen die Natur oder unnatürlich; sondern freiwillig. IV. Die Beziehung einer in sich notwendigen Ursache zur Wirkung ist manchmal nicht notwendig. Dies findet aber statt, nicht wegen eines Mangels und einer Unbestimmtheit in der Ursache, sondern einem Mangel in der Wirkung zufolge. So hat die Kraft des Sonnenlichtes keinen notwendigen Zusammenhang mit den Wirkungen hier auf Erden, wie dies das Blühen der Pflanze z. B. ist; aber nur deshalb weil die letzteren von dieser Kraft abfallen und nicht blühen können, nicht etwa, weil das Sonnenlicht an sich nicht kräftig genug wäre. Und so ist der Grund davon, daß Gott nicht aus Notwendigkeit etwas will von dem, was Er will, der Mangel welcher dem Ge»ollten seiner Natur nach innewohnt, weil es nämlich so beschaffen ist, daß ohne es die Güte Gottes in aller Vollkommenheit bestehen kann; — nicht aber hat dies seinen Grund in einem Mangel des Willens Gottes. V. Die Ursache also, welche infolge eigener Schwäche kann oder nicht kann, muß von außen her bestimmt werden, um etwas zu wirken. Gottes Wille aber ist von sich aus bestimmt; und deshalb bestimmt Er Sich selber für jenes Gewollte, was keinen notwendigen Zusammenhang mit Ihm hat. VI. Das göttliche Sein ist in sich dem thatsächlichen Bestande nach notwendig und ebenso das göttliche Wissen und das göttliche Wollen. Das göttliche Wissen aber hat notwendigen Zusammenhang mit dem Gewußten; denn das Gewußte ist insofern im Wissenden. Das göttliche Wollen jedoch hat keinen solchen notwendigen Zusammenhang; denn gewollt werden die Dinge, insoweit sie in sich sind. Alles ist aber notwendig, soweit es in Gott ist, was nicht der Fall ist, soweit es in sich selbst ist; und deshalb stimmt der Vergleich nicht.
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