Zweiter Artikel. Das Verhältnis des göttlichen Wollens zum anderen Sein.
a) Es scheint, Gott wolle nichts Anderes. Denn: I. Das göttliche Wollen ist das göttliche Sein. Gott aber ist nichts Anderes wie Er selbst. Also will Er auch nichts Anderes. II. Der Wollende wird angeregt vom Gewollten (3 de anima). Will also Gott etwas Anderes als Sich selbst, so wird Er von außen her bestimmt. III. Wenn dem Wollenden etwas genügt, sucht er nach nichts Anderem. Gott aber genügt vollauf seine eigene Güte. Also will Er nichts Anderes. IV. Der Willensakt ist je nach den gewollten Gegenstanden ein vielfacher. Will also Gott anderes und Sich selber, so folgt, daß sein Willensakt ein vielfacher sei und folglich auch sein Sein, was ja sein Wollen ist. Das aber ist unmöglich. Auf der anderen Seite sagt der Apostel (I. Thes. 4.): „Das ist Gottes Wille, euere Heiligung.“
b) Ich antworte, Gott will nicht nur Sich selbst, sondem auch anderes, was offenbar wird, wenn die im ersten Artikel gebrauchte Ähnlichkeit Berücksichtigung findet. Denn jegliches Ding der Natur hat nicht nur eine natürliche Neigung rücksichtlich des eigenen Guten, daß es dasselbe zu erlangen sucht, wenn es nicht in seinem Besitze ist und sich darin ergötzt, sobald es in dessen Besitze sich findet; — sondern es strebt auch danach, das eigene Gute mitzuteilen, soweit es möglich ist. Sonach sehen wir, daß jegliche Ursache, insofern sie thatsächliches Sein hat und gehörig vollendet ist, etwas herstellt, was ihm selber ähnlich ist. Das also gehört ebenfalls zum Wesen des Willens, daß jemand das Gute, was er hat, anderem mitteilt, soweit es ihm möglich ist, soweit nämlich seine Natur es erlaubt. Das muß aber im höchsten Grade dem göttlichen Willen eigen sein, von welchem vermittelst gewisser Ähnlichkeiten jegliche Vollendung abgeleitet wird. Wenn also die Dinge der Natur, insofern sie im Sein vollendet sind, ihr Gutes anderem mitteilen; so entspricht dies noch weit mehr dem göttlichen Willen, daß Er sein Gutes vermittelst einer gewissen Ähnlichkeit anderem mitteilt, soweit es möglich ist, mit anderen Worten, soweit seine Natur es zuläßt; und da die Natur Gottes nichts anderes eben ist als Wollen, denn Wollen ist Sein in Gott, so heißt dies, soweit Gott will. Niemand kann über seine Natur hinaus. Gottes Natur ist Güte, ist Wollen, ist Wille. Also kann Gott nicht anders sein Gute mitteilen, als soweit es möglich ist, soweit Er nämlich will und nicht veranlaßt durch irgend welches äußere Moment. So also will Gott Sich und anderes; Sich selber als Zweck, das Andere aber als zweckdienlich, insofern es dazu dient, daß an seiner Güte auch anderes Sein teilnimmt. I. Thatsächlich ist allerdings das Wollen Gottes dem wirklichen Sein nach ganz dasselbe wie das Sein, aber die Auffassung und damit die Art und Weise der.Bezeichnung ist eine andere. Denn wenn ich sage, Gott ist, so wird damit keine Beziehung zu etwas ausgedrückt; wie wenn ich sage, Gott will. Deshalb will wohl Gott anderes wie Sich selber, ist aber nicht anderes als Er selbst. II. Was wir wegen eines Zweckes wollen, das erachten wir nur aus dem Grunde für ein Gut, weil es dem Zwecke dient; und es regt da also nur der Zweck an. So will z. B. wer einen bitteren Trank nimmt darin nichts als den Zweck, die Gesundheit Da also Gott anderes nur will auf Grund des Zweckes, nämlich auf Grund seiner Güte, so ist nur Er selbst der Grund seines Wollens. Wie Er anderes erkennt dadurch, daß Er sein Wesen kennt; so will Er anderes dadurch, daß Er seine Güte will. IIl. Deshalb folgt auch nicht daraus, daß Er anderes will, als ob Ihm seine Güte nicht genüge; dies würde nur folgen, wenn Er anderes wollte, nicht auf Grund seiner Güte. So ist auch die Vernunft Gottes vollkommen und doch erkennt Er in ihr anderes. IV. Somit ist auch das Wollen in Gott ein einiges, weil Er die Vielheit nur will auf Grund seiner einen Güte.
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