Siebenter Artikel. Der Wille Gottes ist unveränderlich.
a) Der göttliche Wille scheint der Veränderlichkeit zugänglich zu sein. Denn: I. In der Genesis 6, 7. wird gesagt: „Es reut mich, den Menschen gemacht zu haben.“ Reue aber bezeichnet Veränderlichkeit im Willen. II. Jerem. (18, 7.) spricht in der Person des Herrn: „Ich will sprechen gegen das Volk und gegen das Reich, daß ich es entwurzle und es zerstreue; wenn aber das Volk Buße gethan haben wird für seine Missethat, will ich auch Buße thun wegen des Übels, welches ich gedacht habe, daß es sie treffen solle.“ AIso ist der Wille Gottes veränderlich. III. Was Gott thut, thut Er freiwillig. Gott aber thut nicht immer ein und dasselbe. Denn zu einer Zeit hat Er die Gesetzesvorschriften des A. T. zu halten befohlen, zu einer anderen es verboten. IV. Gott kann dieses wollen und kann eben dasselbe nicht wollen. Thun können aber und nicht thun können, das ist Veränderlichkeit im Willen; sowie sein können und nicht sein können Veränderllichkeit im Sein bezeugt; und hier sein können oder auch da sein können ein Zeichen der Veränderlichkeit dem Orte nach ist. Auf der anderen Seite heißt es num. 23, 19.: „Gott ist nicht wie ein Mensch, daß Er lüge; und nicht wie des Menschen Sohn, daß Er Sich verändere.“
b) Ich antworte, Gottes Wille ist unbedingt unveränderlich. Aber dabei ist dies zu berücksichtigen, daß es etwas Anderes ist, den Willen ändern; und etwas anderes, die Veränderung in manchen Dingen wollen. Denn es kann jemand ganz gut, trotzdem sein Wille unbeweglich bleibt, wollen, daß nun dies geschehe und später das Gegenteil davon. Dann nur würde der Wille sich ändern, wenn er jetzt das Gegenteil davon wollte, was er früher gewollt hat, oder aufhören würde zu wollen, was er früher wollte. Freilich müßte in diesem Falle vorausgesetzt werden, entweder daß von seilen der Kenntnis oder von seiten der Lage der Substanz eine Änderung eingetreten sei. Denn ist der Wille auf das Gute gerichtet, so kann derselbe in doppelter Weise anfangen, etwas von neuem zu wollen. Entweder so, daß etwas von neuem anfängt, für ihn ein Gut zu sein und sich so vorzustellen; und das ist nicht der Fall ohne Veränderung in der Verfassung des Willens selber, wie z. B.; wenn der Winter kommt, das Feuer von neuem als ein Gut erscheint, was es früher nicht war. Oder das kann so geschehen, daß die Vernunft von neuem erkennt, dies oder jenes sei gut; während sie früher dies verkannt hat. Die Substanz Gottes aber ist ebenso unveränderlich wie sein Wissen. Also giebt es im Willen Gottes keine Veränderung.
c) I. Die Reue, von Gott ausgesagt, ist figürlich zu nehmen nach unserer Art und Weise. Wenn uns nänmlich etwas gereut,sö zerstören wir, was wir gemacht haben; obgleich auch bei uns dies sein kann ohne Änderung des Willens, wenn z. B. ein Mensch jetzt etwas thun will, was er später zu zerstören beabsichtigt. Und so wird dies von Gott gethan weil Er den Menschen, welchen Er erschaffen, durch die Überschwemmung zerstörte. II. Der Wille Gottes ist wohl die erste und allmfassende Ursache. Jedoch schließt Er Mittelursachen nicht aus, die dann durch Ihn ihre Kraft haben. Damit ist jedoch nicht gesagt, daß diese letzteren der Kraft der ersten Ursache gleichen oder dieselbe erschöpfen. Vieles vielmehr ist noch in der ersten Ursache enthalten, was die Mittelursachen nicht in sich besitzen. So hätte jemand am Grabe des Lazarus mit Rücksicht auf die niedrigen nächsten Ursachen gesagt: Lazarus wird nicht auferstehen. Mit Rücksicht auf die erste Ursache aber konnte er sagen: Lazarus wird auferstehen. Und beides will Gott; daß nämlich etwas manchmal zukünftig sei mit Rücksicht auf die niederen Ursachen, was mit Rücksicht auf die erste nicht zukünftig ist; oder umgekehrt. Damit ist also gesagt, daß Gott manchmal etwas als zukünftig ausspricht, was nur nach der Lage der niederen Ursachen, deren Wesen und Kraft Er durchdringt sei es in der Natur oder in den Verdiensten, zukünftig ist; was aber nicht eintreten wird, weil es so in der höchsten Ursache liegt. So sprach der Prophet zu Ezechias: „Verfüge über dein Haus; denn du wirst sterben und nicht leben;“ dies sagte er gemäß den natürlichen, niedrigen Ursachen aus, welchen der Tod des Königs gefolgt wäre. Es kam aber nicht so, weil von Ewigkeit es anders beschlossen war in der höchsten Ursache. Deshalb sagt Georg der Große (Moral. 16. c. 5.): „Gott verändert den Ausspruch, aber nicht den inneren Ratschluß.“ Was also Gott sagt: „Ich werde Buße thun;“ ist figürlich zu verstehen; denn die Menschen scheinen Reue zu haben, wenn sie nicht thun, was sie gedroht haben. III. Gott will die Veränderung; aber sein Wille ist nicht veränderlich. IV. Gott will nichts mit absoluter Notwendigkeit; aber notwendig ist, daß sich erfüllt, was Er will, nämlich unter der Voraussetzung der Unveränderlichkeit des göttlichen Willens. Und deshalb kann, was Gott einmal gewollt hat, in keiner Weise nicht sein; aber nicht, weil Gott so wollen müßte, sondern weil Er aus freiem Ratschlüsse so gewollt hat.
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