Vierter Artikel. Das Verhältnis des Wollens Gottes zur Verursachung der Dinge.
a) Das göttliche Wollen scheint nicht die Ursache der Dinge zu sein. Denn: I. „Wie unsere Sonne nicht aus Ratschluß oder freier Wahl, sondern durch ihr Leuchten schon alles sichtbar macht, was am Lichte teilnehmen kann; so sendet das göttliche Gut kraft seines Wesens in alles, was existiert, Strahlen seiner Güte.“ So Dionysius (de div. nom. c. 4.). Was aber kraft seines Willens wirkt, das wirkt aus freiem Willen und Ratschluß. Gott also wirkt nicht durch seinen Willen. Also der Wille Gottes ist nicht die Ursache der Dinge. II. Das, was lraft seines inneren Wesens etwas ist, muß in der betreffenden Seinsordnung an der Spitze stehen, wie in der Seinsordnung des Erwärmten auf Erden das Feuer an der Spitze steht, das lraft seines Wesens warm ist. Gott aber ist die erste wirkende Ursache. Also ist Er wirkend kraft seines Wesens, das da seine Natur ist und nicht durch den Willen. III. Was auch immer Ursache ist durch dasjenige Moment, vermittelst dessen es das ist, was es ist; das ist Ursache vermittelst der Natur und nicht vermittelst des Willens. Das Feuer z. B. ist die Ursache der Erwärmung, weil es warm ist; der Künstler aber ist die Ursache des Hauses, weil er so will. Augustinus aber (I. de doctr. chr. c. 33.) sagt: „Weil Gott gut ist, sind wir.“ Gott also ist durch seine Natur die Ursache der Dinge, nicht durch seinen Willen; denn durch seine Natur ist Er gut. IV. Von einem Dinge besteht nur eine unmittelbare Ursache. Die Ursache der Dinge aber ist das Wissen Gottes, wie Kap. 14, Art. 8. festgestellt worden. Also ist es nicht der Wille. Auf der anderen Seite heißt es Sap. 11, 26.: „Wie könnte etwas Dauer haben, wenn Du nicht gewollt hättest?“
c) Ich antworte, es sei durchaus notwendig zu sagen, Gott wirkt durch und aus seinem freien Willen, nicht aber durch und aus der Notwendigkeit seiner Natur; und dies erhellt aus drei Gründen: 1. Wenn eine Ursache aus Naturnotwendigkeit wirkt, so muß ihr der Zweck und was zum Zwecke dienlich ist, von einer höheren Ursache vorherbestimmt werden, die diesfalls mit Vernunft und freiem Willen wirkt; wie dem Pfeile z. B. vom Schützen vorherbestimmt wird das Ziel und ein gewisser Gradb der Bewegung. Die Ursachen also, welche mit Vernunft und freiem Willen sich selbst und anderen den Zweck bestimmen, sind früher wie jene, die aus einer ihnen eingeprägten Naturnotwendigkeit heraus thätig. sind. Gott aber nimmt in der Reihe der vernünftigen Ursachen den ersten Platz ein. 2. Was mit Naturnotwendigkeit wirkt, das kann nur immer dasselbe hervorbringen, wenn es nicht gehindert wird. Denn es kann nur wirken, inwiefern es eben ein solch bestimmtes Wesen hat und kein anderes; und es kann deshalb nur wieder ein solch bestimmtes Sein hervorbringen. Gottes Sein aber ist kein bestimmt abgegrenztes, nur für eine gewisse Seite des Seins passendes, sondern enthält in sich alle Vollendung des Seins. Also kann es nicht mit Naturnotwendigkeit wirken; soll es nicht etwas Unbegrenztes und Unendliches hervorbringen, was Kap. 7, Art. 2 als uninöglich zurückgewiesen worden. Gott also wirkt nicht mit Naturnotwendigkeit; sondern die innerlich dem Wesen nach bestimmt abgegrenzten Wirkungen gehen von seiner ungemessenen Vollendung aus gemäß der Bestimmung des Willens und der Vernunft Gottes. 3. In der Weise gehen die Wirkungen aus vom wirkenden Grunde, gemäß welcher sie in diesem vorherexistieren; denn jedes Wirkende bringt etwas sich selber Ähnliches hervor. Die Wirkungen aber existieren vorher in der Ursache nach der Seinsweise dieser Ursache. Da nun das göttliche Sein sein eigenes Erkennen ist, so existieren die Wirkungen in Gott in vernünftig erkennbarer Weise; und so gehen sie auch dem angemessen von Ihm aus; sonach allein vermittelst seines Willens. Denn die Hinneigung des Verstandes zu dem, was er aufgefaßt hat, gehört dem Willen an. Der Wille aIso ist die Ursache der Dinge.
c) I. Dionysius will in den angeführten Worten nicht die freie Wahl überhaupt von Gott ausschließen, sondern nur nach einer Seite hin, insofern Gott nämlich nicht bloß den einen unter den Geschöpfen von seiner Güte mitteilt und den anderen nicht, sondern allen insgesamt, welche Er nach seinem freien Ratschlüsse schuf und zwar nach dem Grade, in welchem Er sie schaffen wollte. II. Das Wesen Gottes ist sein Erkennen und sein Wollen. Darum also, weil gerade kraft seines Wesens Gott wirkt, folgt, daß er nach Maßgabe der Vernunft und des Willens wirkt. III. Das Gute ist der Gegenstand des Willens. „Wir sind also, weil Gott gut ist;“ denn seine Güte ist der maßgebende Grund dafür, daß Gott anderes will. IV. Von ein und derselben Wrklung ist auch bei uns die Ursache das Wissen oder die aufgefaßte Idee als das leitende Moment des Werkes, und der Wille als das befehlende Moment. Denn die Form, welche nur innerhalb der Vernunft ist, wird nicht anders bestimmt dazu daß sie sei aIs gewirkte oder nicht sei, wie durch den Willen. Die rein beschauliche Vernunft sagt nichts vom Wirken. Die Macht aber, die Wirkung zu vollenden, ist die ausführende Ursache; denn sie ist das unmittelbare Thätigkeitsprincip. Das alles aber ist in Gott, wie Kap. 14. gezeigt worden, zu innigster Einigkeit verbunden.
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