Traktat I. Über die Zeugung (des Sohnes). Gegen die Arianer.
1. Menschen fleischlicher Sinnesart, geliebteste Brüder, nehmen — nicht im Streben, die Wahrheit zu er- S. 204 kennen, sondern sie auszuhöhlen — jedesmal Anstoß, wenn von katholischer Seite Gott, der Sohn Gottes, der da ist des Vaters höchster Ruhm, als gleich dem Vater gepriesen wird, Und daher kommt es, daß sie sich über die Grundlagen des heiligen Gesetzes hinwegsetzen und in nur zu gewandter Rede vom Ausgang Gottes von Gott völlig schweigen und sofort zu den gewöhnlichen Bezeichnungen Vater und Sohn ihre Zuflucht nehmen, die mit Verstandesgründen erfaßt werden können. Sie sehen nicht ein, daß schon im Eingange der heiligen Offenbarung Gott sich seiner Gottheit und seinem Namen nach mit Gott zusammenstellt und damit alle Vorstellungen menschlichen Denkens ausschließt, Nämlich da, wo er sagt: „Laßt uns den Menschen machen nach un-serm Bilde und Gleichnisse.„1 Er sagte nicht: „Mache ihn nach deinem Bilde“, sondern er sagte: „Laßt uns ihn machen nach unserm Bilde„, damit nicht etwa der Sohn, der dereinst den Menschen anziehen sollte, irgendeine Benachteiligung zu erfahren scheine. Seht ihr nicht, Brüder, wie dabei keiner dem andern einen ausdrücklichen Befehl erteilt und keiner bei der Ausführung unbeteiligt ist? O heilige Gleichheit der ungeteilten Gottheit, die sich allein ganz würdig ist! Ein Mensch wird nach dem Bilde und Gleichnisse von zweien geschaffen; aber es läßt sich an ihm nicht entdecken, was nun an ihm von dem einen oder andern stammt. Und wenn nun im Wirken nach außen hin die heilige Gleichheit nicht unterschieden werden kann, wie kann Gott in seinem andern Ich geringer sein? Denn wenn du einem von zweien, die sich in allen Dingen unterschiedlos gleichen, irgend etwas absprichst, weißt du nicht, wem du es absprichst.
2. Aber du sagst: Derjenige, dem der Befehl erteilt wird, ist geringer, Nein! Daraus kann nicht gefolgert werden, daß er geringer ist, weil er die Befehle des väterlichen Herzens vollzieht, von dem er ausgegangen: es ist nicht geringer, Großes zu tun, als Großes zu befehlen, S. 205 Was immer auch vom Vater ausgesprochen worden ist oder ausgesprochen werden kann, wird nicht ohne den Sohn ausgesprochen; denn der Sohn ist das Wort« Und was immer vom Sohne gemacht worden ist oder gemacht werden kann, wird nicht ohne die Billigung des Vaters gemacht; denn der Sohn ist nicht ohne den Vater, wie er selbst sagt: „Wenn ich nicht die Werke des Vaters tue, so glaubet mir nicht; wenn ihr aber mir nicht glauben wollt, so glaubet meinen Werken und erkennet, daß der Vater in mir ist und ich in ihm.“ 2 Demnach steht fest, daß das gleich ist, was sich gegenseitig mit dem Heiligen Geist umfasst.
