Traktat LXXVII. Von Daniel. IX.1
Heute, teuerste Brüder, spreche ich nicht von Taten und Verdiensten von Menschen zu euch. Es wird nicht Daniel vorgeführt, der inmitten von brüllenden Löwen, die gierig nach ihm den Rachen aufsperren, nicht zittert und am Mahle, vom Himmel gesandt, sich sättigt.2 Auch nicht Jonas, der inmitten der brausenden Stürme, inmitten der wütenden Fluten des gepeitschten Meeres sicherer war im Bauche des Fisches als im Bauche des Schiffes.3 Auch nicht die drei Jünglinge, von denen man glaubte, sie würden im Feuer verbrennen, und die sich gerächt sahen an denen, die das Feuer geschürt.4 Nein, von unserm Herrn spreche ich, von ihm, den — o Frevel! — solche verehren, die ihm ferne stehen,5 seine eigenen Anhänger aber — wenn man's doch sagen muß — zerreißen. Ich tue es, freilich nicht mit Beweisgründen gewappnet, wie sie diejenigen gern ausspielen, die gegen die Wahrheit Falsches zusammenstellen, sondern mit Beweisgründen, die himmlischer Art, reich an der Zahl, offenkundig und unverfälscht sind. Ich tue es, damit die Gelehrten prüfen, die weniger Unterrichteten sich S. 333 festigen, die Neulinge 6 lernen, und diejenigen, die auf Lästerung ausgehen, wenn es möglich ist, zu ihrem Heile, wenn auch spät, zur Besinnung kommen.
Nach der Mitteilung der Herausgeber, der Ballerini und Giuliaris, tragen die sämtlichen Handschriften die Überschrift: De Daniele. Kaum mit Recht. Der hier vorliegende Traktat stellt ein Exordium zu einer Predigt dar, die sich wohl (wie die Traktate IV—IX des zweiten Buches) gegen die Arianer wandte. ↩
Vgl. Trakt. I 8, 3. ↩
Vgl. Trakt. II 17. ↩
Vgl. die Traktate II 69—76. ↩
Gemeint sind einzelne Heiden. ↩
Als rüdes werden alle bezeichnet, die erst im Glauben Unterricht nahmen. (Vgl. Augustins Schrift De catechizandis rudibus und die Ausführungen in der Einleitung zu dieser Schrift, in der Bibliothek der Kirchenväter, I. Reihe, Band 49, S. 227—309.) ↩
