Traktat XXXVIII. An die Neugetauften (Neophyten) nach der Taufe. I1
Vorüber sind die keuschen Fasten,2 die zu heiliger Entsühnung in voller Hingabe von euch begangen wurden; vorüber sind die süßen Vigilien der Nacht, die durch ihre eigene Sonne am hellsten erleuchtet ist;3 vorüber S. 293 ist es, daß eure Seelen in der Hoffnung auf Unsterblichkeit aufgingen im lebenspendenden Bade des wie Milch schäumenden Quells, aus dem ihr alle, verschieden an Alter, verschieden an Volk, plötzlich als echte Brüder, plötzlich als gemeinsam Geborene4 emporgestiegen seid: so mahne ich euch, das Fest solcher Geburt in einem freudigen Mahle zu begehen. Aber nicht in einem Mahle, bei dem die verschiedenen Gänge durch den Reiz des Geschmackes der beigegebenen Würzen sich um den Preis streiten, bei dem gar oftmals der Magen überladen, durch rohes und bitteres Erbrechen Beschwerden hat, bei dem die Süßigkeit eures Mostes durch den üblen Nachgeschmack des am Tage vorher genossenen weltlichen5 Weines völlig verloren geht; nein, bei einem himmlischen, ehrbaren, reinen, heilsamen und nie endenden Mahle.6 Und dieses Mahl nehmt mit Hunger darnach ein, auf daß ihr allezeit gesättigt, allezeit beseligt sein könnt. Der Vater des Hauses7 spendet euch hierzu aus seinen Vorräten, von seinem eigenen Tisch kostbares Brot und kostbaren Wein. Als erste tragen die drei Jünglinge einmütig das Gemüse auf, und sie bestreuen es, damit der S. 294 Geschmack ein feiner sei, mit dem Salze der Weisheit.8 Christus gießt öl dazu, Moses sorgt mit der gebotenen Eile für ein einjähriges Erstlingslamm, Abraham in seinem Glauben für ein festes und gut zubereitetes Kalb. Isaak trägt unschuldig den Topf9 und die Hölzer. Jakob gibt geduldig das verschiedene Kleinvieh her. Joseph, zum Messen (des Getreides) bestimmt, verteilt an alle das Korn. Und wenn jemand etwas vermißt, so wird Noe, der Archenbewohner, der alles geborgen hat, es ihm nicht verweigern. Petrus, der Fischer, setzt zur Genüge frische Meerfische vor, mit wunderbarer Sülze. Tobias, der Wanderer, beschafft und brät mit Sorgfalt die Eingeweide des Fisches vom Fluß. Johannes, der demütige Vorläufer des Herrn im Gewand aus Kamelhaaren, bringt vom Walde Honig und Heuschrecken. Paulus übermittelt die Ladung und mahnt, daß keiner den andern beim Essen rüge.10 David, der königliche Hirt, reicht allen silberfarbene Milch und Käse. Zachäus verteilt ohne Zögern die Gastgeschenke in vierfachem Maß: der Gottessohn aber, unser Gott und Herr Jesus Christus, die Süßigkeiten; so hat's schon der gesagt, der vor uns dieses Mahl genossen: „Wie süß sind deine Worte meinem Gaumen, süßer als Honig und Honigseim meinem Mündel"11 Und wer, meine Brüder, das bereitwillig glaubt, der wird noch reichere Speisen finden. Und ist er achtsam darauf, so wird er allezeit sich und andere sättigen mit allen Gütern: durch Jesus Christus unsern Herrn. S. 295
Die folgenden Traktate XXXVIII—XLIV sind Ansprachen, die Zeno nach Vollendung des Taufaktes an die Neugetauften richtete. Doch scheint Traktat XXXVIII nach dem Eingang (post clarissimae noctis — vigilias) am Osterfest selbst gehalten worden zu sein. Er nimmt Bezug auf die Eucharistie. Doch ist es nicht ausgeschlossen, daß die Neugetauften sich zu einem weltlichen Mahle zusammenfanden und der Prediger auch diesem eine geistige Richtung zu geben suchte. Vgl. Gaud. sermo 8. ↩
Post completa casta ieiunia bezieht sich auf die vorausgehende Fastenzeit; Fasten war besonders auch den Katechumenen vorgeschrieben. Die Fastenzeit legte auch geschlechtliche Enthaltsamkeit nahe; vgl. Trakt. I 4, 7: per pudicitiam legitima ieiunia celebrantur. ↩
Post clarissimae noctis suo sole dulces vigilias. Der Ausdruck clarissima nox (Gaud. sermo 5: splendidissima nox) war für die Osternacht allgemein üblich. Auch äußerlich wurden die Kirchen durch eine Fülle von Lampen und Kerzen erleuchtet. Schon Konstantin der Große verwandelte nach dem Berichte des Eusebius „diese Vigilie in Tageslicht, indem er in der ganzen Nacht vor dem Osterfeste Wachssäulen von gewaltiger Höhe anzünden ließ; es waren Feuerfackeln, die jede Stelle erhellten, so daß die Nachtwache heller wurde als der strahlende Tag". (Eus. vita Const. IV 22; Bibliothek der Kirchenväter, Reihe I, Band 9, S. 158.) Zeno betont, daß sie noch hellerstrahlend wird durch „ihre eigene Sonne", Jesus Christus als sol salutis. ↩
Nach der Emendation Giuliaris: subito unageniti ... infantes (Ballerini: unigeniti). ↩
Die Emendation Giuliaris: dulcedo faecularis vini (statt des bisherigen saecularis) ist wohl unbegründet. ↩
Mit der nun folgenden Schilderung des Mahles hat die Schrift cena Cypriani in Aufbau und Sprache größte Ähnlichkeit. Vgl. H. Brewer, Über den Heptateuchdichter Cyprian (s. Einleitung S. 24 und Literatur). ↩
Gemeint ist Gott in der Eucharistie. Die folgenden Beispiele sind durchweg der HL Schrift entnommen. ↩
Salem sapientiae aspergunt. Erinnert vielleicht an die datio salis an die Katechumenen, die mit den Worten: accipe sal sapientiae erfolgte. ↩
Nach der glücklichen Textemendation Giuliaris: Isaac... ollam portat et ligna (bisherige Ausgaben: Isaac ... oleum ..«). ↩
Anspielung auf Rom. 14, 3. ↩
Ps. 118, 103. ↩
