Vierter Artikel. Die Namen Gottes drücken nicht alle dasselbe aus.
a) Die Namen Gottes müssen alle synonym sein. Denn: I. Ein jeder von ihnen bezeichnet ganz dasselbe, da die Weisheit das Wesen Gottes ist und ebenso die Güte; und so gilt es für die übrigen Vollkommenheiten. II. Wird dagegen eingewendet, diese Namen bezeichneten wohl der Sache nach dasselbe, aber drückten verschiedene Gesichtspunkte aus; so ist dies nichts. Denn der Gesichtspunkt, welchem nichts Bestimmtes in der Sache entspricht, ist an sich durchaus leer und bedeutungslos. Da also diesen verschiedenen Gesichtspunkten immer ein und dieselbe durchaus in sich einfache Sache entspricht, so sind sie als Richtschnur für die Namen Gottes völlig unnütz. III. Mehr ist eine Einheit, was Eines ist der Sache und allen Beziehungen nach, als was bloß der Sache nach Eines ist. Gott aber ist im höchsten Grade ein einiger. Also ist Er nach jeder Seite hin und zwar der Sache und allen Beziehungen nach Einer. Und so drücken alle Namen Gottes immer ein und dasselbe aus. Auf der anderen Seite wäre das Zusammenfügen solcher Namen, welche ganz dasselbe bezeichnen, eitel Spielerei; wie wenn gesagt würde: Sein Kleid und Gewand. Wären also alle Namen Gottes gleichbedeutend, so könnte Er füglich nicht noch „gut“ oder ähnlich genannt werden. Dagegen heißt es bei Jeremias 32, 19: „O Stärkster, Großer, Mächtiger; Herr der Heerscharen ist Dein Name.“
b) Ich antworte, daß derartige Namen nicht gleichbedeutend synonym sind. Und zwar wäre dies leicht zu beweisen, wenn solche Namen Gott bloß beigelegt würden, um etwas von Ihm zu entfernen oder verschiede Beziehungen der Kreaturen zu Gott auszudrücken. Denn so würden sie verschieden sein, je nachdem Verschiedenes von Gott entfernt oder verschiedene Beziehungen zu Gott seitens der Kreaturen existieren. Aber auch nach der im Artikel 2 auseinandergesetzten Weise ist klar, daß diese Namen nicht gleichbedeutend sind. Denn was der Name bezeichnet, ist nichts anderes, als die Auffassung unserer Vernunft über die durch den Namen gekennzeichnete Sache. Unse Vernunft aber, von welcher Gott aus den Kreaturen erkannt wird, bildet, um zu irgend welchem Verständnisse Gottes zu gelangen, in sich Auffassungen, welche den Vorzügen entsprechen, die von Gott zu den Kreaturen hin ausgehen. Diese Vorzüge nun existieren in vollster Einheit und Einfachheit von vornherein und vor allem anderen in Gott; in den Geschöpfen aber geteilt und gemäß mannigfaltigem Anteil. Sowie also den verschiedenen Vorzügen in den Kreaturen ein und dasselbe durchaus in sich einfache Princip entspricht; so entspricht den verschiedenartigsten Auffassungen der Vernunft die eine einfache Substanz, welche gemäß dergleichen Auffassung unvollkommen vom Verständnisse erreicht wird. Und sonach bezeichnen die Gott beigelegten Namen wohl immerdar die eine einfache Sache; aber diese Namen sind keine synonymen, denn sie bezeichnen diese Sache gemäß vielen und voneinander verschiedenen Auffassungen. I. Gleichbedeutende Namen sind solche, welche dasselbe bezeichnen gemäß derselben Auffassung. Namen nämlich, welche ein- und dasselbe zwar bedeuten, aber nach verschiedenen Auffassungen, drücken nicht ohne weiteres und ihrem Wesen nach ein Eines aus; da der Name die Sache nur bezeichnet vermittelst der Auffassung des Verstandes. II. Die verschiedenen Beziehungen, welche durch die Namen ausgedrückt werden, sind nicht deshalb eitel und leer, weil ihnen immer das eine einfache Sein zu Grunde liegt. Denn durch alle solche Beziehungen wird dieses Eine immer wieder nach einer anderen Seite hin bekannt gemacht, obgleich stets unvollkommener Weise. III. Das gehört eben zur vollkommenen Einheit Gottes, daß alle die verschiedenen Vorzüge, die in den Kreaturen sich vorfinden, in Ihm, in Gott, ein einiges, einfaches Sein sind. Und nach diesen verschiedenen unvollkommenen Vorzügen werden die Namen gebildet.
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