Zehnter Artikel. Der Name „Gott“ schließt in seiner Bezeichnung nur ein verh in sich ein zwischen Gott und den Geschöpfen.
a) Es scheint, mit dem Namen „Gott“ sei ganz dieselbe Bedeutung zu verbinden, mag er auf Grund der inneren Natur Gottes oder der Teilnahme an selbiger oder nach der Meinung der Menschen gebraucht werden. Denn: I. Wo Verschiedenheit ist in der Bedeutung eines Wortes, da steht nicht die Behauptung schroff gegenüber der Verneinung; die Zwei- oder gar Vieldeutigkeit ist ja ein Hindernis für den Gegensatz. Der Katholik aber, der da sagt: das Götzenbild ist nicht Gott; steht im entschiedensten Gegensatze zum Heiden, der da sagt: Das Götzenbild ist Gott. Also auf beiden Seiten wird dem Namen „Gott“ die völlig gleiche Bedeutung beigelegt. II. Gleichwie das Götzenbild nur der Meinung nach Gott ist und nicht in Wahrheit, so wird der sinnliche Genuß Glück genannt nach der Meinung und nicht in Wahrheit. Das Wort „Glück“ oder „Seligkeit“ ist also völlig gleichbedeutend, mag es nach der wahren Wirklichkeit oder nach der Meinung gebraucht sein. Also ist auch das Wort „Gott“ völlig gleichbedeutend in beiden Fällen. III. Gleichbedeutend werden die Worte genannt, deren Inhalt als ein und derselbe aufgefaßt wird. Der Katholik aber spricht den Namen „Gott“ aus und versteht darunter etwas Allmächtiges, über Alles zu Verehrendes. Und dasselbe versteht darunter der Heide. Also völlig gleichen Inhalt hat das Wort für beide. IV. Auf der anderen Seite: Was in der Vernunft ist, das stellt eine Ähnlichkeit dessen vor, was in den Dingen ist (I. Perih. c. 1.). Aber wenn ein Bild als „Tier“ bezeichnet und ein wirkliches Tier ebenso genannt wird; so ist da bloß der Name gemeinsam und die Bedeutung eine völlig ungleichartige. Also ist auch zwischen der Benennung des Götzenbildes und der des wirklichen Gottes nur einzig der Name gemeinsam; die Bedeutung ist eine durchaus ungleichartige. V. Niemand kann bezeichnen, was er nicht irgendwie kennt. Der Heide aber kennt nicht den wahren Gott. Also wenn er sagt: Das Götzenbild ist Gott, so bezeichnet er nicht den wahren Gott. Denselben bezeichnet aber der Katholik, wenn er sagt, es sei nur ein Gott. Also ist die Bedeutung des Wortes „Gottes“ in allen solchen Fällen, wo es sich um Wahrheit oder eine vereinzelte Meinung handelt, eine durch und durch ungleichartige, wo nur der Name ein und derselbe bleibt.
d) Ich antworte, das Wort „Gott“ werde in den drei angegebenen Fällen weder gleichbedeutend noch völlig ungleichartig in der Bedeutung, sondern „analogisch“ gebraucht. Das ist aus folgendem offenbar: Gleichbedeutenden Worten liegt ein und dasselbe Wesen zu Grunde; sie haben völlig gleichen Inhalt, wie z. B. das Wort „Mensch“, wenn es von Petrus und Paulus gebraucht wird. Völlig ungleichartige Worte in ihrer Bedeutung haben einen gänzlich verschiedenen Inhalt; wie das Sternbild „Widder“ und das Tier „Widder“. In den Worten aber, welche unter Anwendung der Analogie gebraucht werden, ist erfordert, daß das betreffende Wort in einer bestimmten Bezeichnung aufgefaßt in die Begriffsbestimmung des nämlichen Wortes eintritt, insoweit dieses etwas Anderes bezeichnet; wie z. B. das „Sein“, welches von der Substanz ausgesagt wird, in die Begriffsbestimmung des „Seins“ eintritt, gemäß dem es von der hinzutretenden, von der Instanz getragenen Eigenschaft, vom „Zufälligen“, oder „Accidenz“ ausgesagt wird; und wie das vom tierischen Körper ausgesagte Gesunde mit zur Begriffsbestimmung gehört, welche das Gesunde im Urin und in der Medizin kennzeichnet. Denn vom Gesunden im tierischen Körper ist das Gesunde im Urin ein Zeichen; das in der Medizin eine Ursache. So geht es auch in der vorliegenden Frage. Denn dieser Name „Gott“, inwiefern er vom wahren Gotte gilt, ist ein Glied in der Begriffsbestimmung dessen, was vermittelst Teilnahme oder Mitteilung Gott genannt wird und dessen, was nach der Meinung als Gott gilt. Im ersten Sinne wird Gott das genannt, was eine Ähnlichkeit hat mit dem wahren Gotte; im zweiten Sinne wird Gott genannt das, von dem einzelnen Menschen meinen, es sei der wahre Gott. So ist die Bedeutung des Namens „Gott“ eine verschiedene; aber die eine von ihnen wird beglündet durch die Bezeichnung der anderen.
c) I. Die Vielfachheit in den Namen richtet sich nicht danach, wovon der Name ausgesagt wird; sondern nach dem, was er bezeichnen soll. Denn dieser Name „Mensch“, wovon auch immer er ausgesagt wird, ob wahr oder falsch, hat in jedem Falle immer dieselbe Art und Weise zu bezeichnen. Nur in dem Falle wäre eine Vielfachheit im Namen „Mensch“; wenn der eine damit einen Menschen bezeichnen wollte und der andere einen Stein oder sonst etwas Mensch nannte. Daher ist klar, daß der Katholik im offenen Gegensatze sich befindet zum Heiden, der da sagt: Dieses Götzenbild ist Gott. Denn beide wollen mit dem Worte „Gott“ dasselbe, nämlich den wahren Gott bezeichnen. Der Heide will nicht sagen, sein Götzenbild sei nur nach semer Meinung Gott; er würde ja dann recht haben, da auch die Katholiken bisweilen sich des Ausdruckes so bedienen; wie z. B.: „Alle Götter der Heiden sind Teufel.« (Ps. 95.) II. Dieselbe Antwort gilt von II. und III. Auch da wird gesprochen von der Verschiedenheit in dem, von wo her ausgesagt wird; und nicht von der Verschiedenheit in der Bezeichnung, worauf es hier ankommt. III. Das gemalte und das wahre Tier werden keineswegs von einem Worte ganz ungleichartig in ihrem Inhalte bezeichnet, das etwa für beide nur den Klang gemeinsam hätte. Aristoteles nennt hier das „Analoge“ (vgl. oben) „äquivok“; und gebraucht es so in einem weiteren Sinne. Auch das Sein, was man ja unter Analogie von der Substanz, der Accidenz, der Quantität, Relation u. s. w. gebraucht, wird manchmal als ein „Äquivokum“ angesehen. IV. Die Natur Gottes kennt weder der Katholik noch der Heide. Beide aber kennen Ihn irgendwie als über Alles hervorragende Ursache. Und demgemäß kann der Heide so gut wie der Katholik das Wort „Gott“ in derselben Bezeichnung brauchen. Wer aber Gott in keinerlei Weise kennt, der kann Ihn auch nicht nennen; oder er würde eben nur Worte sagen, ohne eine Bedeutung damit zu verbinden.
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