Erster Artikel. Gott kann auf Grund seiner Wirkungen Namen tragen; nicht auf Grund seines inneren Wesens.
a) Es scheint überhaupt kein Name Gott zuzukommen. Denn: I. Dionysius schreibt (de div. nom. cap. 1.): „Weder hat Gott ein Namen, noch läßt Er eine Mutmaßung, zu.“ Und Prov. 30. steht geschrieben: „Welches ist sein Name oder wie wird sein Sohn genannt!“ II. Jeder Name muß sich auf etwas Konkretes, nämlich auf ein für sich bestehendes wirkliches Sein richten; oder auf etwas Abstraktes, von der einzelnen Wirklichkeit Losgelöstes. Aber die erste Art Namen geziemen sich nicht für Gott, da Er durchaus einfach, das Konkrete aber immer etwas Zusammengesetztes ist. Die zweite Art Namen kann gleichfalls von Gott nicht gelten, denn sie bezeichnen nicht etwas wirklich Bestehendes. Kein Name also kann Gott beigelegt werden. III. Hauptworte drücken aus die Substanz des Dinges als Träger von Eigenschaften; Verben und Participien als Träger der Zeitdifferenz; Fürwörter als Träger eines Hinweises oder einer Beziehung. Nichts von allem dem kommt aber Gott zu, der keine von seiner Substanz verschiedene Eigenschaften hat, ohne irgend welche von außen hinzutretende Zuthat ist, außerhalb der Zeit steht und weder gefühlt werden kann noch bewiesen, so daß auf Ihn hingezeigt werden könnte. Die Beziehungen oder Relationen lassen sich zudem immer auf etwas der eben erwähnten Dinge zurückführen. Auf der anderen Seite heißt es im Exoduss. 15.: „Wie ein Vorkämpfer; Allmächtiger ist sein Name.“
b) Ich antworte, nach Aristoteles (I. Perih. cap. 1.) seien Worte Zeichen des geistigen Verständnisses; das Verständnis aber gründet sich und drückt aus die Ähnlichkeit mit den Dingen. Und so ist klar, daß Worte auf die zu bezeichnenden Dinge bezogen werden müssen gemäß dem Verständnisse, welches der Vernunft innewohnt. In welcher Weise also etwas von uns vermittelst der Vernunft erkannt werden kann, in der nämlichen wird es benannt. Gott aber kann im gegenwärtigen Leben nicht von uns kraft seines Wesens verstanden werden; wir erkennen sein Wesen deshalb nicht. Vielmehr kennen wir Ihn nur gemäß der Beziehung, welche die Kreaturen zu Ihm, als zu ihrem ersten Princip besitzen und gemäß dem, daß wir den Mangel in den Kreaturen von Ihm entfernen und deren Vorzüge bis ins Unendliche dem wirklichen Sein nach erhöhen. Also kann Er von uns auch nur genannt werden in der Weise, wie die Kreaturen dazu anleiten, nicht aber so, daß irgend ein Name sein göttliches Wesen ausdrückte; wie etwa der Name „Mensch“ das menschliche Wesen bezeichnet so wie es ist, denn er bezeichnet die entsprechende Begriffsbestimmung, von welcher aus das innere Wesen bekannt gemacht wird. Den Seinsgrund nämlich, welchen der Name ausdrückt, enthält die Begriffsbestimmung. I. Demnach sind die Worte des heiligen Dionysius aufzufassen von einem Namen, der das Wesen Gottes bezeichnen würde. Einen solchen Namen giebt es für Gott nicht. II. Weil wir aus den Kreaturen zur Kenntnis Gottes aufsteigen und aus denselben heraus Ihn mit Namen bezeichnen, so erklären die Namen, welche wir Gott beilegen, das Dasein und die Vollkommenheiten Gottes in der Weise wie stoffliche Kreaturen dazu anleiten können, deren Kenntnis unserer Natur entspricht. Nun ist in diesen Kreaturen das, was für sich besteht und vollkommen ist, was also nicht ein von anderen Kreaturen getragenes, Sein hat, zusammengesetzt; die Form aber in ihnen, wodurch sie z. B. Mensch sind oder Stein oder schwarz oder weiß sind, ist nicht etwas gänzlich Für-sich-bestehendes, sondern wird vielmehr von dem Für-sich-bestehenden als von ihrem Subjekte getragen. Und daher kommt es, daß alle Namen, mit welchen wir etwas vollständig Für-sich-bestehendes, wie z. B. den einzelnen Stein, den einzelnen Menschen bezeichnen, konkret ihren Gegenstand ausdrücken, wie es dem wirklich existierenden Zusammengesetzten zukommt. Die Namen aber, welche zu dem Zwecke auferlegt werden, daß damit eine gewisse einfache Form bezeichnet sei, welche nicht für sich in der Wirklichkeit besteht, sondern durch welche vielmehr etwas ist, heben etwas hervor nicht als für-sich-bestehend, sondern als „wodurch etwas ein Wesen, eine Eigenschaft, einen Zustand hat“; wie die „Weiße“ etwas bezeichnet, wodurch ein Ding weiß ist. Gott nun ist sowohl durch und durch einfach, als auch für-sich-bestehend. Und so werden Ihm abstrakte Namen von der letztgenannten Art beigelegt, wie Weisheit, um seine Einfachheit hervorzuheben; und es werden von Ihm konkrete Namen, solche von der ersten Art beigelegt, damit sein vollkommenes Für-sich-bestehen ausgedrückt werde. Beide Arten Namen aber sind mangelhaft, um das zu bezeichnen, was Gott wirklich ist. III. DieSubstanz zugleich mit einer Eigenschaft bezeichnen heißt das Subjekt oder Suppositum bezeichnen als den Träger einer, bestimmten Natur oder Form; wie z. B. den einzelnen Menschen als Träger der Menschnatur oder der Weisheit oder ähnlicher Formen. Von Gott aber werden konkrete Namen gebraucht, um sein vollkommenes Für-sich-bestehen, seine Subsistenz zu bezeichnen; und ebenso werden abstrakte Namen gebraucht, um seine Einfachheit hervorzuheben, daß Er nämlich nur reine Form ist. Zeitwörter und Participien werden Ihm beigelegt, weil Er alle Zeit in seiner Ewigkeit als Ursache einschließt. Wir können eben die einfache Ewigkeit nicht anders verstehen und nicht anders in Worten ausdrücken als mit Hilfe und auf die Weise der zeitlichen Dinge; wie wir ebenso das Einfache überhaupt nur an der Hand und in der Weise der zusammengesetzten Dinge definieren können. Demonstrative Fürwörter werden auf Gott angewendet gemäß dem, daß sie darauf hinweisen oder daß sie beweisen, was verstanden, nicht aber was gefühlt wird. Und in derselben Weise, um unserer Vernunft naxh ihrer Seinsweise das Verständnis zu erleichtern, bedienen wir uns der Beziehungswörter; immer aber in allen Fällen so, daß die Vernunft wohl weiß, diese Worte werden, soweit das wirkliche Subjekt in Frage kommt, nicht in derselben Weise aufgefaßt, sobald sie auf zusammengesetzte Dinge bezogen werden wie dann, wann sie auf Gott angewandt sind.
