Zweiter Artikel. Das Verhältnis der göttlichen Substanz zu den Namen Gottes.
a) Es scheint, daß keiner von den Namen Gottes gebraucht werden kann, um direkt die göttliche Substanz oder Wesenheit zu bezeichnen. Denn: I. Damascenus schreibt (I. de fide orth. cap. 4.): „Die einzelnen Namen, welche von Gott ausgesagt werden, dürfen nicht so Geltung haben, daß sie zeigen, was Gott der Substanz nach sei, sondern vielmehr, was Er nicht sei.“ Eine Beziehung nur etwa dürfen sie ausdrücken oder etwas von dem, was von der Natur oder dem Wirken eine Folge ist. II. Dionysius spricht im selben Sinne (de div. nom. c. 1.): „Du wirst finden, wie die Lobpreisungen der heiligen gotterleuchteten Männer allein dahin zielen, das, was von der göttlichen Gewalt behufs des seligen Endzweckes hervorgeht, zu offenbaren und die Benennungen Gottes zu loben und gebührend einzuteilen.“ Das will heißen, daß die betreffenden Namen voneinander unterschieden sind gemäß dem, was von Gott hervorgeht. Das drückt aber in keiner Beziehung die Natur Gottes aus. III. Es wird etwas benannt, je nachdem es verstanden wird. Gott aber wird in diesem Leben nicht von uns verstanden seinem Wesen nach. Also wird Ihm auch kein Name beigelegt, der auf seine Substanz hinwiese. Auf der anderen Seite sagt Augustinus (VII. de Trin. c. 1. et 7.): „Für Gott ist Sein dasselbe, was stark sein, weise sein und wenn du noch anderes von jener Einfachheit sagen willst, durch welche seine Substanz bezeichnet wird.“ Also alle solche Namen weisen auf die göttliche Substanz hin.“
b) Ich antworte, daß solche Namen, welche von Gott etwas entfernen, also negativ von Ihm ausgesagt werden, oder welche die Beziehung der Kreaturen zu Gott bezeichnen, offenbar und ohne Zweifel in keiner Weise auf die Substanz Gottes Bezug nehmen. Ihr Zweck ist der, auszudrücken, daß Gott etwas nicht hat oder daß anderes sich auf Ihn beziehe. Nicht so verhält es sich aber mit jenen Namen, welche ohne Beschränkung und positiv etwas über Gott aussagen; wie z. B. wenn Er gut, weise oder dergleichen genannt wird. Und da sind denn die Meinungen geteilt. Die einen sind der Ansicht, auch diese Namen seien positiv nur dem Anscheine nach oder auf den ersten Blick; wer jedoch tiefer die Sache erwäge, der sehe, daß durch solche Namen von Gott ebenfalls etwas lediglich entfernt wird. So z. B. wollen wir mit dem Namen „Leben“ bezeichnen, Gott sei nicht wie die leblosen Wesen. Dieser Meinung ist Rabbi Moses (im Buche doctor dubiorum,). Andere wieder neigen sich dahin, zu sagen, es sei durch diese Namen nichts als die Beziehung ausgedrückt, welche die Kreaturen zu Gott haben. So z. B. wollen wir, wenn wir Gott gut nennen, damit ausdrücken, Er sei die Ursache aller kreatürlichen Güte. Beide Ansichten aber sind offenbar falsch: 1. weil nach keiner von beiden ein Grund angegeben werden kann, warum diese Namen vorzugsweise von Gott ausgesagt würden, und nicht andere ähnliche. Denn Er ist gleichermaßen die Ursache der Körper wie der kreatürlichen Güte. Wenn Gott also gut genannt wird nur deshalb, weil Er die Güte verursacht, so müßte man Ihn ebenso „Körper“ nennen dürfen. Ebenso wird durch den Namen „Körper“ etwas von Gott entfernt nicht anders wie etwa durch den Namen „gut“; nämlich daß Gott nicht reines Vermögen, daß Er nicht bloßer Urstoff ist. Deshalb könnte Er also ebenso „Körper“ genannt werden, wie Er gut genannt wird, was aber nicht der Fall ist. 2. Es würde daraus folgen, daß alle Namen Gottes ihre eigentliche Bedeutung nur hätten in der Anwendung auf die Kreaturen und in der Anwendung auf Gott nur eine sehr bedingungsweise; wie z. B. die Medizin gesund genannt wird, nicht weil sie eigentlich gesund ist, sondern weil sie geeignet ist, die Ursache der Gesundheit zu sein, also bedingungsweise und nachträglich, nämlich unter Voraussetzung der eigentlichen wahren Bedeutung. 3. Die beiden Ansichten sind gegen die Absicht derer, die über Gott sprechen. Denn etwas Anderes wollen sie sagen mit dem Ausdrucke „lebendiger Gott“, als dies allein, daß Er Ursache des Lebens sei oder von den leblosen Wesen sich unterscheide. Deshalb ist die Sache anders zu begründen. Solche Namen wollen, direkt die göttliche Substanz treffen; aber sie stellen dieselbe nur unvollkommen dar. Das wird folgendermaßen klar werden. Die Namen bezeichnen nämlich Gott in der Weise, wie unsere Vernunft Verständnis von Gott gewinnt. Unsere Vernunft nun erkennt Ihn so, wie die Geschöpfe Ihn darstellen. Gott aber hat von vornherein und ohne Bedingung alle Vollkommenheiten der Geschöpfe seiner Natur nach mit Notwendigkeit und in der höchsten. Vollendung in Sich. Somit stellt Ihn jede Kreatur demgemäß dar und ist Ihm soweit ähnlich, als sie eine Vollkommenheit besitzt. Nicht allerdings stellt sie Ihn dar, wie der einzelne Mensch z. B. die Gattung „Mensch“ darstellt, also als ob Er derselben „Art“ oder derselben Gattung angehörte, sondern, sowie jene Wirkungen die Kraft ihrer Ursache zeigen, welche ihrem Wesen nach weit unter ihr stehen; wie z. B. die Pflanzen und ähnliche Körper die Kraft der Sonne darstellen. Siehe oben Kapitel 4. Artikel 3. In dieser Weise bezeichnet die eben erwähnte Art Namen die göttliche Substanz, freilich unvollkommen; sowie die Kreaturen auch unvollkommen die göttliche Substanz darstellen. Wenn also gesagt wird: Gott ist gut; so heißt das nicht: Gott ist die Ursache der Güte, oder: Er ist nicht schlecht. Vielmehr ist der Sinn dieser: Was wir in den Dingen als die Vollkommenheit der Güte bezeichnen, das ist vorher bereits im höchsten Maße in Gott; und neben der Güte sind noch viele andere Vollkommenheiten. Deshalb vielmehr weil Gott der Substanz nach gut ist, verursacht Er die Güte und nicht umgekehrt; dies sagt Augustin mit den Worten (I. de doct. christ. c. 31.): „Soweit Gott gut ist, sind wir.“ I. Damascenus sagt nur, daß keiner dieser Namen das bestimmt, was Gott dem Wesen nach sei. Er leugnet nicht, daß dieselben unvollkommen das Wesen Gottes bezeichnen, gleichwie auch die Ähnlichkeit der Geschöpfe mit Gott eine unvollkommene ist. II. In der Bedeutung der Namen muß unterschieden werden, auf Grund von welchem Umstanbe sie aufgelegt werden, von woher sie kommen und wozu sie gegeben sind. So kommt z. B. der Name „Friede“ von „eingefriedet sein“; er wird aber gegeben, um den Zustand der Ruhe zu bezeichnen. Es ist das nicht dasselbe; sonst müßte überall da, wo etwas eingefriedet ist, Frieden sein. So also ist zu sagen, daß diese Namen, um welche es sich hier handelt, wohl daher kommen, daß von Gott Anderes hervorgegangen ist. Denn wie nach der verschiedenen Art und Weise, in welcher die Kreaturen von Gott hervorgegangen sind, dieselben je nach ihren Vorzügen Gott darstellen, obgleich unvollkommen; so erkennt unsere Vernunft gemäß einer jeden Art dieses Hervorgehens Gott und benennt Ihn. Aber das besagt nicht, daß diese Namen Gott gegeben werden zu dem Zwecke, um das Verursachen der Kreaturen seitens Gottes auszudrücken, daß also mit dem Ausdrucke: Gott ist lebend, gesagt würde: von Gott geht das Lebu. Vielmehr kommen diese Namen Gott zu, insoweit Er selber gemäß seiner Substanz das Princip aller Dinge ist und insoweit sonach seine Substanz im höchsten Grade das von ihr verursachte Leben einschließt, lebend ist. III. Wir legen Gott keinen Namen bei, weil wir sein Wesen verstehen, sowie es in sich ist; sondern soweit es in den Kreaturen gemäß deren Vorzügen, wie auch immer unvollkommen, dargestellt erscheint.
