Sechs und dreißigstes Kapitel.
1. Schon oft verwunderte ich mich, warum wohl, da Byzantium zu einem solchen Wachsthum gelangte, daß keine andere Stadt weder an Größe noch an Reichthum mit ihr kann verglichen werden, nirgends eine Götterweißagung von deren glüklichen Zunahme mitgetheilt worden ist? 2. Bey dem Nachdenken darüber rollte ich viele historische Werke und Sammlungen von Orakelsprüchen auf; und nachdem ich geraume Zeit hierüber in Ungewißheit geschwebt habe, entdeckte ich endlich einen Orakelspruch der sogenannten Erythräischen Sibylle oder der Epirotischen Phaello1, als S. 186 welche gleichfalls begeistert gewesen, und geweißagt hat. 3. Im Vertrauen auf denselbigen und dessen günstige Auslegung bekriegte Nikomedes, des Prusias Sohn, diesen seinen Vater auf Anrathen des Attalus. Das Orakel lautet also:
Vermöge der Bemerkungen des Hrn. Hofr. Heyne zu dieser Stelle, thut Pausanias dieser Wahrsagerei unter dem Namen Phaennis, daher man auch wohl Phaenno statt Phaello lesen muß, Erwähnung; und die hier von Zosimus mitgetheilten Verse sind aus verschiedenen Weissagungen zusammengesetzt, welche zugleich auch auf verschiedene Zeiten gehen. Aus Pausanias erhellet, daß Phaenno etwa hundert und vierzig Jahre vor Christi Geburt gelebt habe. Da die Weissagung, welche Zosimus hier für eine einzige ausgiebt, genauerer Erwägung und wirklichen Begebenheiten zufolge aus mehrern zusammengesetzt und verwirrt ist, so ist es unmöglich, einen richtigen Zusammenhang durch Erklärung hineinzubringen. – Der König der Thracier, welcher hier angeredet wird, ist Nicomedes, König der Bithynier, welche darum in Dichtersprache Thracier heißen, weil sie von diesen abstammen. Es ist von ihm bekannt, daß seine Absichten auf Byzantium ihm verderblich wurden. Aber auch auf die Römer geht ein Theil der Weissagung, welche hier unter dem Namen der Wölfe erscheinen. ↩
