Sechstes Kapitel.
S. 132 1. „Kömmt aber des menschlichen Lebens fernstes Alter, im Kreise von hundert und zehen Jahren, dann gedenke, o Römer, und vergiß es ja nicht! gedenke dessen, was ich dir sage: Bringe Opfer den unsterblichen Göttern auf dem Gefilde neben dem Strome der Tiber, wo er am schmalsten fließt, wenn das Dunkel der Nacht die Erde bedeckt, und ihren Glanz die Sonne verbirgt. 2. Dann opfere den Oceanstöchtern, den Parcen, Lämmer und Ziegen. Versühne dann auch mit Opfern die dunkelgestalteten, Kinder zur Welt fördernden, Ilithyjen mit Opfern, wie es sich ziemt. 3. Drauf schlachte der fruchtbaren Tellus einen Eber nebst einem schwarzen Schwein. Stiere von weißer Farbe führe zu Jupiters Altare, am Tage, nicht bei der Nacht; 4. denn den himmlischen Göttern gefällt ein Opfer am Tage. Gleich jenen seyen auch die Rinder! Eine strahlende Kuh empfange von deinen Händen der Juno Altar. 5. Gleiche Opfer erhalte Latonens Sohn, Phöbus Apollo, welcher auch Helios (Sonne) heißt. 6. Lobgesänge ihr ertönend müssen der Lateiner Knaben und Mädchen der Unsterblichen Tempel sich nahen; in besondern Reihen die Mädchen; in besondern die Chöre der Knaben. Aber von beiden müssen die Aeltern noch leben; noch blühen der Stamm, aus welchem sie sprossen. 7. Die verheuratheten Frauen sollen an jenen Tagen auf den Knieen um Juno's gepriesenen Altar sich reihen, und von der Göttin erflehen, S. 133 daß sie allen Männern und Frauen, vornämlich den Frauen, ihre Wünsche gewähren. 8. Jeder bringe aus seinem Hause, was den Sterblichen ziemt, als Erstling seiner Nahrung zum Sühnopfer den milden und seligen Göttern darzubringen. Aufgehäuft liege dieses alles auf den Altären, damit du den flehenden Frauen und Männern davon darreichest. Tage und Nächte hindurch sey bei den göttlichen Wohnungen zahlreich die Versammlung. 9. Ernst werde mit Scherzen gemischt. Stets erinnere sich dieser Gebote dein Herz; so wird das ganze Italische Erdreich und Latium ganz fortwährend unter dein Scepter sich beugen.“
