Vierter Artikel. Die Substanz Gottes ist sein Verstehen.
a) Dies scheint nicht der Fall sein zu können. Denn: I. Verstehen ist eine gewisse Thätigkeit. Thatigsein aber bedeutet etwas, was vom thätigen Sein ausgeht; und dies tritt bei der Substanz nie ein. Von ihr geht vielmehr etwas aus, als daß sie innerhalb des Seins im Dinge von etwas ausginge, da sie ja allem, was im Dinge ist, zu Grunde liegt. Also Verstehen ist in Gott nicht dasselbe wie die Substanz. II. Wenn jemand versteht, daß er verstehe, das bedeutet nicht, etwas verstehen, was an erster, leitender Stelle Gegenstand des Verstehens und so Grund wäre für das übrige Verstehen. Es ist dies vielmehr etwas Nebensächliches, was dem an erster Stelle Verstandenen folgt oder es begleitet und auf das hauptsächlich Verstandene sich gründet. Wenn also Gott sein eigenes Verstehen ist, so wird dies so sein als wenn wir erkannten, daß wir verstehen. Und so wird das Verstehen Gottes nichts Großes, Maßgebendes sein. III. Jegliches Verstehen schließt ein, daß etwas verstanden wird. Wenn also Gott in der Weise Sich selbst versteht, daß Er nichts Anderes ist als eben dieses Verstehen, so versteht Er eben, daß Er versteht und dieses Verstehen, daß Er versteht, wird sich wieder darauf richten, daß Er eben versteht und so bis ins Endlose. Das Verstehen Gottes ist also nicht seine Substanz. Auf der anderen Seite sagt Augustin (7. de Trin. c. 7.): „Das ist für Gott Sein, was da ist weise sein.“ Weise sein aber ist eben nichts anderes als Verstehen. Also Gottes Verstehen ist sein Sein und da dieses Sein seine Substanz ist, so ist das göttliche Verstehen die göttliche Substanz.
b) Ich antworte, daß ganz notwendigerweise das Erkennen Gottes seine eigene Substanz ist. Denn vorausgesetzt das thatsächliche Erkennen Gottes wäre verschieden, so müßte nach XII. Metaph. etwas anderes sein die Thätigkeit und die Vollendung der göttlichen Substanz und etwas anderes diese Substanz selber; vielmehr verhielte sich letztere zum. thatsächlichen Erkennen, wie die Potenz zum Akt, wie ein Vermögen zu seiner Entwicklung und Vervollkommnung. Das aber ist ganz und gar unmöglich. Denn Erkennen ist die Vollendung und die Thätigkeit des Erkennenden. Das ist aber so zu verstehen. Wie nämlich oben hervorgehoben worden ist der Akt des Erkennens nicht nach außen gerichtet, als ob er etwas Äußerliches bethätigte oder vollendete, wie etwa der Meißel den Marmor, sondern bleibt innerhalb des Erkennenden als dessen eigenste Thätigkeit und Vollendung, gleichwie das Wirklichsein die Vollendung des Existierenden ist. Wie nämlich das wirkliche Sein der Existenz zur inneren Wesensform entsprechend hinzutritt; die Pflanze z. B. ganz wirkliche Pflanze in der Existenz wird und nicht das mindeste andere; so verhält sich auch das thatsächliche Erkennen zur inneren Erkenntnisform oder zu dem inneren Erkenntnisgrunde, zur Idee. In Gott aber ist die innere Wesensform nichts anderes als sein Wirklichsein; und diese innere Wesensform ist zugleich, wie bereits erwiesen, für Gott der bestimmende Erkenntnisgrund, die species intelligibilis, also folgt mit Notwendigkeit, daß das Sein Gottes sein thatsächliches Erkennen ist. Somit ist klar, daß in Gott 1. die erkennende Vernunft; 2. der erkannte Gegenstand; 3. der innerlich bestimmende Erkenntnisgrund; 4. das thatsächliche Erkennen selbst durchaus ein und dasselbe sind; und daß die Thatsache, daß Gott erkennend ist, nimmermehr eine Vielheit in Gott bedingt.
c) I. Verstehen oder Erkennen ist eine Thätigkeit, welche im Wirkenden bleibt. Von einem Ausgehen ist da von vornherein keine Rede. II . Wenn jenes Verstehen aufgefaßt wird, was bloß von einem Vermögen ausgeht, also nicht für sich selbständig dasteht; so versteht man nichts Großes, wie z. B. wenn es sich um unser Verstehen handelt. Und deshalb besteht hier keine Ähnlichkeit, da Gottes Verstehen für sich bestehend, da es reine Selbständigkeit ist. III. Demnach ist auch das Verstehen Gottes, weil es eben durchaus für sich bestehendes unabhängiges Sein ist, nicht das Verstehen von etwas Anderem; sondern es ist nur es selbst und damit ist ein endloses Vorgehen ausgeschlossen.
