LXXXIII. (Mauriner-Ausgabe Nr. 293) An Julianus1
Inhalt: Die Erkundigung nach dem leiblichen Befinden des Adressaten gibt Basilius Anlaß, diesem über Leben und Lebensgestaltung belehrend und mahnend zu schreiben. - Die Epistel ist nicht datierbar.
Wie ist es Dir leiblich ergangen in dieser Zwischenzeit? Hast Du den Gebrauch Deiner Hand wieder im vollen Maße erhalten? Wie steht es sodann mit den übrigen Angelegenheiten des Lebens? Geht Dir alles nach Wunsch, wie wir es für Dich erbitten, und wie es füglich Deinem Charakter entspricht? Wer nämlich leicht S. 322 wankelmütig und veränderlich ist, der darf doch nicht klagen, wenn sein Leben nicht geordnet ist. Wessen Sinn aber gefestigt, immer beständig und derselbe, dessen Leben verläuft entsprechend seiner Denkart. In der Tat hat es ja der Steuermann nicht in der Hand, Windstille zu schaffen, wann er will; uns aber ist es ganz leicht, unser Leben wellenlos zu gestalten, wenn wir die Wirbel, die uns innerlich aus den Leidenschaften erstehen, zur Ruhe bringen und den äußerlichen Zufälligkeiten einen höheren Sinn geben. Weder Verluste noch Krankheiten noch die übrigen Unannehmlichkeiten des Lebens berühren den braven Mann, solange er in Gott wandelt, auf die Zukunft schaut und über das Unwetter dieses Lebens leicht und frisch sich hinwegsetzt. Denn die so sehr in den Sorgen des Lebens befangen sind, gleichen fetten Vögeln, die umsonst Flügel haben und sich mit dem Weidevieh auf dem Boden dahinschleppen.
Wir können vor lauter Arbeit Dich freilich nur insoweit sehen wie Reisende, die auf dem Meere an einander vorübersegeln. Doch da schon an einer Kralle der ganze Löwe erkenntlich ist, so glauben wir Dich an einer kleinen Probe genug kennen gelernt zu haben. Deshalb machen wir uns schon viel daraus, daß Du unsere Angelegenheit irgendwie in Rechnung stellst, und daß wir Deiner Aufmerksamkeit nicht entgangen sind, sondern immerdar mit Dir in Gedanken zusammen sind. Zeichen der Erinnerung ist aber das Schreiben. Je öfter Du das tust, desto mehr erfreust Du uns.
Ein alter Abschreiber prädiziert den Brief: ἠϑικὴ πάνυ ὡϱαία (= ein ganz prächtiges Mahnschreiben). ↩
