XXIX. (Mauriner-Ausgabe Nr. 70) Ohne Aufschrift. (über eine Synode)1
Inhalt: Der Arianismus hat im Orient kirchliche Einheit, Friede und Ordnung gestört. Basilius bittet nun inständig den Adressaten, offenbar Papst Damasus, in treuer Nachahmung seiner hilfsbereiten Vorgänger durch Legaten die bedrohte Kirche zu retten. — Abfassungszeit 371.
Der alten Liebe Bande zu erneuern und den Frieden der Väter, diese himmlische und heilsame Gabe S. 121 Christi, die mit der Zeit verwelkte, wieder zur Frische zu bringen, ist unsere Pflicht und unser Vorteil, wird aber auch, dessen bin ich sicher, Deiner christlichen Gesinnung erwünscht scheinen. Was wäre denn erfreulicher, als Menschen, die durch so viele Örtlichkeiten voneinander getrennt sind, durch das Band der Liebe zu einer harmonischen Einheit von Gliedern am Leibe Christi verbunden zu sehen? Fast das ganze Anatolien, ehrwürdigster Vater — mit Anatolien bezeichne ich das Land von Illyrikum bis Ägypten —, ist von einem heftigen Unwetter und Sturme heimgesucht: Die längst vom Feinde der Wahrheit, von Arius, ausgestreute Häresie schoß empor bis zu unverschämter Höhe, und gleich einer bittern Wurzel treibt sie verderbliche Frucht und wird bereits übermächtig, weil die Bannerträger der wahren Lehre in den einzelnen Pfarreien infolge von Verleumdung und Kränkung aus den Kirchen vertrieben wurden und die Vollmacht in ihrer Verwaltung solchen übergeben ward, welche die Herzen der Einfältigen gefangennehmen. Den einzigen Rettungsweg aus dieser Lage sehen wir in der Einsichtnahme seitens Eurer Barmherzigkeit. In der Tat, immer hat in der verflossenen Zeit Eure wunderbare Liebe uns seelisch aufgerichtet, und wir fühlten uns vorübergehend gestärkt durch die fröhliche Kunde, daß wir Eurerseits eine Einsichtnahme in unsere Verhältnisse2 erwarten dürfen. Da aber diese unsere Hoffnung fehlschlug, so hielten wir es nicht länger aus und kamen auf den Gedanken, Euch brieflich zu ersuchen, sich unserer anzunehmen und einige Gleichgesinnte zu schicken, damit sie entweder die Abseitsstehenden in die Gemeinschaft zurückführen, oder die Kirchen Gottes in Freundschaft versöhnen, oder die an der Verwirrung Schuldigen Euch ganz offen zur Anzeige bringen, so daß von nun an auch Euch bekannt sei, mit wem man Gemeinschaft pflegen dürfe. Wir begehren aber durchaus nichts Neues, sondern was bei den andern seligen und gottesfürchtigen Männern von ehedem und besonders bei Euch üblich war. Wir wissen ja auf dem Wege der Überlieferung, von unsern darob S. 122 befragten Vätern und aus den Briefen, die bis heute noch bei uns verwahrt sind, daß jener hochselige Bischof Dionysius3, bei Euch in Ehren wegen seiner Rechtgläubigkeit und jeder andern Tugend, brieflich sich unserer Kirche zu Cäsarea annahm, unsere Väter mit einem Schreiben tröstete und Männer schickte, die alles, was Bruder war, aus der Gefangenschaft loskauften4. Jetzt sind aber wir in einer schwierigeren und traurigeren Lage, die eine erhöhte Sorge erheischt. Wir beklagen ja nicht die Zerstörung profaner Gebäude, sondern die Beschlagnahme von Kirchen. Und wir sehen, wie die Vorkämpfer der Häresie täglich am Werke sind, nicht den Leib zu knechten, sondern die Seelen in die Gefangenschaft zu führen. Wenn Ihr also jetzt Euch nicht aufrafft, uns zu helfen, dann werdet Ihr über ein kleines niemand mehr finden, dem Ihr die Hand reichen könnt, weil dann alle im Banne der Häresie stehen.
‚πεϱὶ συνόδου‛ [peri synodou] lautet die Aufschrift in den Ausgaben — fälschlich, weil von einer Synode im Schreiben nirgends die Rede. Die persönliche Adresse „An Papst Damasus” wäre zutreffender. ↩
D. h. durch persönlichen Besuch. ↩
Dionysius folgte Sixtus II. im Jahre 259. ↩
Basilius redet hier von einer Heimsuchung während der Regentschaft des Kaisers Gallienus, als die Skythen Kappadozien und die Umgegend verwüsteten (Sozomenos lib. II c. 6). Von der hier gerühmten Liebestätigkeit Roms berichtete auch Dionysios von Korinth (b0ei Euseb. hist. eccl. lib. IV c. 23), und Dionysius von Alexandrien (ibid. lib. VII c. 5) und Eusebius selbst (ibid. lib. IV c. 23). ↩
