XV. (Mauriner-Ausgabe Nr. 26) An Cäsarius, den Bruder Gregors (von Nazianz)1
Inhalt: Basilius mahnt den aus einer Todesgefahr wunderbar erretteten Adressaten zu tatkräftigem Dank gegen Gott. Der Brief datiert aus dem Jahr 368.
Gott sei Dank, der seine Wunder auch an Dir gezeigt hat, der Dich dem Vaterlande und uns Freunden S. 62 aus so großer Todesgefahr errettet hat. Es erübrigt sich nun, daß wir uns nicht undankbar erweisen und einer so großen Wohltat unwürdig, sondern nach Kräften die Wunder Gottes verkünden und die Güte preisen, die wir in der Tat erfahren haben. Und zwar gilt es, nicht mit Worten nur zu danken, sondern daß Du auch im Leben Dich so zeigst, wie wir Dich jetzt kennen, als Zeugen der an Dir geschehenen Wunder. Wir ermahnen Dich, Gott noch mehr zu dienen, in stetiger Zunahme die Furcht vor ihm zu vermehren und zur Vollkommenheit fortzuschreiten, damit wir als kluge Verwalter unserer Lebenszeit erfunden werden, zu der uns die Güte Gottes begnadigt hat. Denn wenn uns allen obliegt, „uns als Lebendiggewordene Gott hinzugeben2”, wieviel mehr dann denen, die aus den Pforten des Todes emporgerichtet wurden! Dies würde aber nach meiner Meinung am besten dann geschehen, wenn wir immer eben die Gesinnung bewahren wollten, die wir im Augenblick der Gefahr hegten. Denn da ward uns wohl so recht klar die Eitelkeit des Lebens und wie nichts, was menschlich, sicher und gewiß ist, weil so leicht Wechselfällen ausgesetzt. Auch kam dabei uns wohl aller Wahrscheinlichkeit nach eine Reue ob der Vergangenheit und ein Versprechen für die Zukunft, im Falle unserer Errettung Gott dienen und mit aller Sorgfalt uns in acht nehmen zu wollen3. Wenn Dir nämlich die drohende Todesgefahr einen Gedanken eingab, so hast Du entweder dies oder dem ganz Ähnliches gedacht. So sind wir also verpflichtet zur Einlösung einer dringlichen Schuld4. Das habe ich in übergroßer Freude ob der Gabe Gottes, zugleich aber auch aus Besorgnis für die Zukunft Deiner Vollkommenheit nahezulegen mir erlaubt. Es ist aber Deine Sache, unsere Worte wohlwollend und geneigt aufzunehmen, wie es auch Deine Art war bei Gesprächen unter vier Augen.
Cäsarius, Gregors jüngster Bruder, am Hofe Julians in Konstantinopel Leibarzt, hielt sich eben in Nizäa auf, als er durch das Erdbeben vom 11. X. 368 verschüttet wurde. Er wurde unter den Trümmern des Hauses unverletzt hervorgezogen, starb aber wohl noch Ende desselben Jahres (Seeck in Pauly-Wissowa, Realencyklopädie der klass. Altertumswissenschaft III ², Sp. 1299). Sein Vermögen vermachte er den Armen, das aber Anlaß zu peinlichen Prozeßstreitigkeiten gab, von denen Basilius in seinem 32. Briefe berichtet. ↩
Röm. 6, 13. ↩
Nämlich: vor der Sünde. ↩
Wohl der Schuld, sich taufen zu lassen. ↩
