XCII. (Mauriner-Ausgabe Nr. 340) Libanius an Basilius
Inhalt: Antwort des Libanius auf den vorausgegangenen Brief.
Wenn Du sehr lange darüber nachgedacht hättest, wie Du am besten meinem Urteil über Deinen Brief beipflichten könntest, so hättest Du das nicht besser tun können, als so zu schreiben, wie Du wirklich jetzt geschrieben hast. Du nennst mich einen Sophisten und sagst, ein solcher sei imstande, aus Kleinem Großes und aus Großem Kleines zu machen. Auch sagst Du, mein Brief hätte Deinen Brief als schön erweisen wollen, obschon er es nicht sei, obschon er um kein Haar besser sei als der, den Du eben abschicktest, Du hättest überhaupt keine Beredsamkeit, weil die Bücher, die Dir zur Hand sind, so etwas nicht bieten, was Du aber früher an Beredsamkeit gehabt, nunmehr verduftet sei. Und indem Du das uns beibringen wolltest, hast Du auch diesen Brief, den Du verunglimpfst, so schön gemacht, daß diejenigen, die gerade bei mir waren, nicht anders konnten als aufspringen vor Freude, als er vorgelesen wurde. Ich wundere mich daher, daß Du, der Du in diesem Briefe den vorausgegangenen herabsetzen wolltest, eben damit, daß Du den ersten diesem gleichstellst, den früheren durch diesen verherrlicht hast. Wenn Du es anders S. 336 gewollt hättest, hättest Du den letzteren zur Diskreditierung des ersteren schlechter machen sollen. Aber Du wolltest, glaube ich, gegen die Wahrheit nicht verstoßen. Das hättest Du aber getan, wenn Du absichtlich Schlechteres geschrieben und keinen Gebrauch von Deinen Gaben gemacht hättest. Dementsprechend durftest Du aber auch das, was Lob verdient, nicht tadeln, um nicht dadurch zu den Sophisten gestellt zu werden, wenn Du nämlich das Große klein zu machen suchst. Halte Dich also an die Bücher, in denen, wie Du sagst, der Ausdruck weniger gut ist, die Gedanken aber desto besser sind; niemand hindert Dich daran. Die Wurzeln aber von dem, was immer unser ist und früher auch Deine Gabe1 war, bleiben und werden bleiben, so lange Du lebst; nie wird eine Zeit sie ausreißen, auch wenn Du sie gar nicht begießest.
die Formalbildung der Rhetorik ↩
