LIX. (Mauriner-Ausgabe Nr. 199) An Amphilochius über Kanones (Zweiter kanonischer Brief)
Inhalt: Basilius beantwortet eine Reihe von Fragen des Amphilochius in bezug auf Kanones, erklärt und bekräftigt mehrere im ersten kanonischen Briefe erörterte Punkte. — Zeit der Abfassung 375.
Schon längst habe ich die Fragen, die Deine Frömmigkeit mir vorgelegt, beantwortet; ich schickte aber das Schreiben nicht ab, und zwar einmal deshalb, weil eine lange und gefährliche Krankheit mich daran hinderte, sodann auch in Ermangelung von Dienern. Denn nur wenige unter uns sind wegkundig und zugleich für solche Aufträge zu haben. So kennst Du nun die Gründe für die Verzögerung; hab also Nachsicht mit uns! Wir bewundern aber zugleich Deine Wißbegierde und Demut, mit der Du lernen willst, obschon Du mit einem Lehrauftrag betraut bist, und zwar lernen von uns, die wir S. 204 kein großes Wissen haben. Doch weil Du nun einmal aus Gottesfurcht etwas auf Dich nehmen willst, was nicht leicht ein anderer fertig brächte, so müssen auch wir Deiner Bereitschaft und Deinem guten Willen entgegenkommen, auch wenn es über unsere Kraft geht.
17. Kanon. Du fragst uns wegen des Priesters Bianor, ob er wegen seines Eidschwures in den Klerus aufgenommen werden könne. Ich erinnere mich aber, bereits eine allgemeine Richtschnur aufgestellt zu haben für alle Kleriker zu Antiochia, die zugleich mit ihm den Schwur geleistet haben — dahingehend, daß sie den öffentlichen Versammlungen fernbleiben, wohl aber privatim1 die priesterlichen Funktionen ausüben sollten. Indes, eben auch der weitere Umstand ermöglicht ihm ungenierte Ausübung seines Amtes, daß er nicht zum Klerus von Antiochien zählt, sondern zu dem von Ikonium, das er sich, wie Du uns selbst geschrieben, statt Antiochien zu seinem Wohnort erwählt hat. Man kann also diesen Mann aufnehmen, wobei aber Deine Frömmigkeit von ihm verlangen muß, Buße zu tun wegen seiner Leichtfertigkeit, mit der er vor dem ungläubigen Manne2 den Schwur geleistet, weil er das Ungemach jener leichten Gefahr nicht zu ertragen vermochte.
18. Kanon. Bezüglich der gefallenen Jungfrauen, die dem Herrn einen reinen Wandel gelobt hatten, dann S. 205 aber den Lüsten des Fleisches erlegen sind und ihr Gelübde gebrochen haben, bestimmten unsere Väter in Milde und Nachsicht gegen die Schwächen der Fallenden, man solle sie nach einem Jahr aufnehmen — analog der Verordnung für die zweimal Verheirateten. Mir aber scheint, da ja die Kirche mit Gottes Gnade vorwärts kommt, stärker wird und bereits auch der Stand der Jungfrauen an Zuwachs gewinnt, es angezeigt, daß man sich mit der Sache genau befaßt und sie betrachtet im Lichte der Vernunft wie nach der Auffassung der Schrift, die sich auf dem Wege der Schlußfolgerung gewinnen läßt: Der Witwenstand ist nicht so ehrwürdig wie die Jungfrauschaft; folglich ist auch das Vergehen der Witwen weit geringer als das der Jungfrauen. Sehen wir doch, was Timotheus von Paulus geschrieben wurde: „Jüngere Witwen halte fern! Denn wenn sie wider Christus lüstern werden, wollen sie heiraten, womit sie das Urteil auf sich ziehen, weil sie die erste Treue gebrochen haben3.” Wenn nun eine Witwe einem so harten Urteil verfällt, weil sie das Versprechen, das sie Christus gemacht, bricht, was müssen wir da von einer Jungfrau denken, die Braut Christi ist und ein heiliges, dem Herrn geweihtes Gefäß? Es ist schon eine schwere Sünde, wenn sich eine Magd in heimliche Heirat einläßt, das Haus mit Unzucht anfüllet und durch ihren schlechten Wandel ihrem Herrn Schande macht. Aber eine noch weit größere Sünde ist es, wenn die Braut eine Ehebrecherin wird, ihre Verbindung mit dem Bräutigam entehrt und ausschweifenden Lüsten sich hingibt. Somit wird die Witwe als eine geschändete Magd verurteilt; die Jungfrau aber trifft das Urteil über eine Ehebrecherin. Wie wir einen Mann, der zu einem fremden Weibe geht, einen Ehebrecher nennen und ihn nicht eher zur Gemeinschaft zulassen, als bis er von seiner Sünde absteht, ebenso werden wir natürlich mit dem verfahren, der eine Jungfrau bei sich hat. Das freilich müssen wir noch allgemein voraussetzen, daß Jungfrau die genannt wird, die sich freiwillig dem Herrn geweiht, auf die Ehe verzichtet und einen Wandel in S. 206 Heiligkeit vorgezogen hat. Die Gelübde aber halten wir von dem Zeitpunkt an für gültig, da das Alter die volle Zurechnungsfähigkeit verbürgt4. Die Äußerungen von Kindern darf man in solchen Fragen absolut nicht als entscheidend werten. Vielmehr soll man diejenige, die über sechzehn oder siebzehn Jahre alt und Herr ihrer Entschlüsse ist, erst dann, wenn sie nach sorgfältiger Prüfung darauf besteht und um die Aufnahme zu bitten fortfährt, unter die Zahl der Jungfrauen aufnehmen, ihr Gelübde als gültig annehmen und etwaige Übertretung unnachsichtlich strafen. Viele werden von ihren Eltern, Brüdern und Verwandten vor dem reifen Alter herbeigeführt, nicht etwa, weil sie von Haus aus den ehelosen Stand wählen, sondern weil jene auf zeitlichen Gewinn für sich ausgehen. Solche dürfen wir nicht leicht aufnehmen, bevor wir ganz genau deren eigene Gesinnung erforscht haben.
19. Kanon. Männer-Gelübde aber kannten wir nicht, es sei denn, daß einige sich selbst zum Mönchsstand zählten, die stillschweigend die Ehelosigkeit erwählt zu haben scheinen. Sonst bin ich der Ansicht, daß man auch bei diesen eine Befragung vorausgehen und sie ein förmliches Gelübde ablegen lasse, damit man sie hernach für einen etwaigen Umfall zu einem fleischlichen und lüsternen Leben mit der Strafe der Unzüchtigen belegen kann.
20. Kanon. Soweit Frauenspersonen einer Sekte angehörten und die Jungfrauschaft gelobten, hernach aber für eine Ehe sich entschieden, sind solche meines Erachtens nicht zu verdammen. „Denn alles, was das Gesetz sagt, sagt es denen, die unter dem Gesetze sind5.” Diejenigen aber, die noch nicht unter das Joch Christi sich begeben haben, anerkennen auch kein Gesetz des Herrn. Deshalb sind sie in die Kirche aufzunehmen, weil sie mit der Nachlassung aller andern Sünden auch für S. 207 diese Verzeihung erhalten kraft ihres Glaubens an Christus. Überhaupt werden die im Katechumenate begangenen Sünden nicht angerechnet6. Solche nimmt aber bekanntlich die Kirche ohne Taufe nicht auf. Daher sind bei diesen die Vorteile der Wiedergeburt von höchster Bedeutung.
21. Kanon. Wenn ein Mann mit einer Frau zusammenwohnt, von der Ehe aber nicht befriedigt, in Hurerei verfällt, so sehen wir einen solchen für einen Hurer an und belassen ihn länger in Strafe; wir haben jedoch keinen Kanon, laut dem er des Ehebruchs beschuldigt werden könnte, sofern die Sünde begangen wurde mit einer unverehelichten Person. Denn es heißt: „Die Ehebrecherin wird befleckt und unrein sein und nicht wieder zu ihrem Manne zurückkehren7.” Ferner: „Wer eine Ehebrecherin behält, ist ein Tor und Gottloser8.” Der Hurer aber wird von der Beiwohnung mit seiner Frau nicht ausgeschlossen werden. Es muß also die Frau ihren Mann wieder annehmen, wenn er von der Hurerei zurückkehrt; der Mann aber wird die Befleckte aus seinem Hause verstoßen. Den Grund dafür anzugeben, geht nicht leicht; aber dieser Brauch herrscht nun einmal.
22. Kanon. Diejenigen, die auf dem Wege der Entführung zu Frauen gekommen sind und mit andern Verlobte geraubt haben, dürfen nicht eher aufgenommen werden, als bis sie die Betreffenden entlassen und in die Gewalt derer zurückgegeben haben, mit denen sie zuerst verlobt waren, mögen diese sie nun annehmen oder von ihnen abstehen. Raubt aber einer eine noch Freie, so muß man sie ihm wegnehmen, den Angehörigen zurückstellen und diesen zur freien Verfügung überlassen, mögen es nun Eltern oder Geschwister oder sonstwie Vorgesetzte des Mädchens sein. Wollen sie es ihm, dem Entführer, überlassen, so muß die Verehelichung nachfolgen; weigern sie sich aber, so dürfen sie nicht S. 208 gezwungen werden. Wer aber eine Frauensperson heimlich oder mit Anwendung von Gewalt geschändet hat und sie bei sich behält, hat die Strafe, die auf Hurerei gesetzt ist, zu gewärtigen. Es ist aber für die Hurer die Strafe auf vier Jahre festgesetzt: Im ersten Jahre müssen sie vom Gottesdienste ausgeschlossen bleiben und vor der Kirchtüre weinen; im zweiten Jahre sollen sie zum Zuhören, im dritten zur Buße und im vierten zum Zusammenstehen mit dem Volke zugelassen werden, ohne jedoch sich am Opfer zu beteiligen; dann aber soll ihnen die Teilnahme am Gute9 gewährt werden.
23. Kanon. Bezüglich derer, die zwei Schwestern heiraten, oder die mit zwei Brüdern sich vermählen, haben wir ein Schreiben erlassen und Deiner Frömmigkeit eine Abschrift davon übersandt10. Wer aber die Frau seines Bruders nimmt, der soll nicht eher aufgenommen werden, als bis er von ihr absteht.
24. Kanon. Eine Witwe, die unter die Zahl der Witwen aufgenommen wurde, d. h. von der Kirche ihren Unterhalt empfängt, verliert nach dem Urteile des Apostels im Falle ihrer Verheiratung die Unterstützung. Für einen Mann aber, der Witwer ist, liegt kein Gesetz vor; bei einem solchen genügt vielmehr die Strafe für die zweimal Verheirateten. Eine Witwe aber, die schon sechzig Jahre alt ist und noch einmal mit einem Manne zusammenwohnen will, darf der Teilnahme am Gute nicht eher gewürdigt werden, als bis sie von ihrer unreinen Leidenschaft läßt. Haben wir sie aber vor sechzig Jahren zu den Witwen gerechnet, so ist das unsere, nicht der Frau Schuld11.
25. Kanon. Wer eine von ihm Geschändete zur Frau hat, der hat zwar die Strafe für die Schändung zu gewärtigen, darf sie aber zur Frau behalten.
S. 209 26. Kanon. Die Hurerei ist keine Ehe, nicht einmal der Anfang einer Ehe. Daher wäre es das beste, womöglich die in Hurerei Verbundenen zu trennen. Wenn sie aber auf jeden Fall die Beiwohnung wünschen, so sollen sie zwar der auf die Hurerei gesetzten Strafe verfallen, aber beisammen bleiben, um Ärgeres zu verhüten.
27. Kanon. Was den Priester betrifft, der ohne sein Wissen in unerlaubter Ehe lebt12, so habe ich das Nötige festgesetzt: Er soll seinen Sitz behalten, aber keine anderweitigen Amtsfunktionen vornehmen. Diese Nachsicht geht bei einem solchen Manne weit genug. Daß der einen andern segne, der seine eigenen Wunden heilen muß, ist doch ungereimt. Denn der Segen ist die Mitteilung der Heiligung. Wer sie aber nicht hat, weil er unwissentlich gefallen, wie kann er sie einem andern mitteilen? Er soll also weder das Volk noch einzelne segnen, noch den Leib Christi andern spenden, noch irgendeine andere priesterliche Amtshandlung vornehmen, sondern sich mit dem Ehrensitze zufrieden geben und den Herrn mit Tränen anflehen, daß ihm die Sünde, die er aus Unwissenheit begangen, nachgelassen werde.
28. Kanon. Das schien mir denn doch lächerlich, daß jemand gelobte, sich des Schweinefleisches zu enthalten. Deshalb gib Dich dazu her, sie zu belehren, daß sie solch kindische Gelübde und Versprechen unterlassen; erlaube ihnen aber, davon beliebig Gebrauch zu machen: Kein Geschöpf Gottes ist verwerflich, das mit Danksagung genossen wird13. Daher ist das Gelübde lächerlich, eine Enthaltung nicht nötig.
29. Kanon. Daß Gewalthaber schwören, ihren Untergebenen Böses zuzufügen, muß man auf jede Weise verhüten. Diese Abwehr ist eine doppelte, einmal die, daß man sie belehrt, nicht leichtfertig zu schwören, sodann die, daß man sie ermahnt, auf ihrem schlimmen S. 210 Vorhaben nicht zu beharren. Hat aber jemand mit einem Eid sich gebunden, einem andern Böses zuzufügen, so soll er über seine Leichtfertigkeit im Schwören Reue bekunden, nicht aber unter dem Vorwande der Gewissenhaftigkeit bei seiner Bosheit beharren. Auch Herodes nützte seine Eidestreue nichts, der, um nicht eidbrüchig zu werden, zum Mörder am Propheten wurde. Der Eid ist aber ein für allemal verboten14; um viel mehr muß dann der mißbilligt werden, der auf Schlimmes abzielt. Daher muß der, welcher geschworen hat, seine Gesinnung ändern und darf nicht hartnäckig auf seinem frevelhaften Vorhaben bestehen. Prüfe nur einmal eingehender die Torheit! Würde einer schwören, seinem Bruder die Augen auszureißen, wäre es etwa löblich für ihn, etwas Derartiges in die Tat umzusetzen? Oder wenn jemand schwören würde, einen Mord zu begehen, oder überhaupt eidlich sich verpflichtete, irgendein Gebot zu übertreten? „Geschworen habe ich doch und mir vorgenommen, nicht daß ich sündigen, sondern daß ich deine gerechten Satzungen beobachten will15.” Wie man aber dem Gebote durch unabänderliche Entschlüsse Nachdruck geben muß, so muß man die Sünde auf jede Weise zu verhüten und aus der Welt zu schaffen suchen.
30. Kanon. Bezüglich der Entführer haben wir zwar keinen alten Kanon, wohl aber haben wir uns in dieser Frage ein eigenes Urteil gebildet: Es sollen nämlich sie selbst wie ihre Helfershelfer drei Jahre vom Gottesdienst16 ausgeschlossen sein. Was aber nicht gewaltsam geschieht, bleibt straflos, vorausgesetzt, daß keine Schändung und kein Diebstahl der Tat vorangegangen ist. Die Witwe aber ist unabhängig, und es steht bei ihr, ob sie folgen will. Daher dürfen wir auf Ausreden nichts geben17.
S. 211 31. Kanon. Eine Frau, die von ihrem Manne verlassen wurde und von dessen Aufenthaltsort nichts weiß, begeht einen Ehebruch, wenn sie einem andern beiwohnt, ehe sie vom Tod des ersten Mannes sichere Kenntnis gewonnen hat.
32. Kanon. Die Kleriker, welche die „Sünde zum Tode“ begehen, sollen ihren Grad verlieren, nicht aber von der Gemeinschaft der Laien ausgeschlossen werden. „Denn du sollst nicht dasselbe Vergehen zweimal strafen18.”
33. Kanon. Das Weib, das auf dem Wege gebiert und für seine Leibesfrucht nicht Sorge trägt, soll des Mordes angeklagt werden.
34. Kanon. Die Ehebrecherinnen, die aus Gewissenhaftigkeit sich schuldig bekennen oder wie immer ihrer Sünden überwiesen werden, wollten unsere Väter nicht öffentlich bekannt geben, um nicht die Schuldigen dem Tode zu überantworten. Dagegen haben sie verlangt, daß sie außerhalb der Gemeinschaft stehen sollten, bis die Zeit ihrer Buße abgelaufen wäre.
35. Kanon. Bei einem Manne, den seine Frau verlassen hat, muß man nach der Ursache der Verlassung forschen. Stellt sich heraus, daß sie ohne Grund von ihm gegangen ist, so verdient er Verzeihung, sie aber Strafe. Es wird ihm die kirchliche Gemeinschaft gewährt werden.
36. Kanon. Soldaten-Frauen, die in der Abwesenheit ihrer Männer geheiratet haben, unterliegen demselben Urteile wie jene, die bei einer Verreisung ihrer Männer deren Rückkehr nicht abgewartet haben. Indes ist in diesem Falle einige Nachsicht angezeigt, weil hier der Tod eher vermutet werden kann.
37. Kanon. Wer heiratet, nachdem ihm die fremde Frau genommen worden, macht sich der ersten Frau gegenüber eines Ehebruches schuldig; der zweiten gegenüber wird er ohne Schuld sein.
S. 212 38. Kanon. Mädchen, die gegen den Willen des Vaters einem Manne folgen, treiben Hurerei. Werden aber die Eltern ausgesöhnt, so scheint eine Heilung möglich. Doch sollen sie nicht sogleich wieder zur Gemeinschaft zugelassen werden, sondern drei Jahre lang bestraft bleiben.
39. Kanon. Die mit einem Ehebrecher zusammenlebt, ist die ganze Zeit hindurch eine Ehebrecherin.
40. Kanon. Die sich ohne die Einwilligung ihres Herrn einem Manne hingibt, ist eine Hure. Hat sie aber hernach die Freiheit zur Ehe erlangt, so ist sie wirklich verheiratet. Im ersten Fall liegt Hurerei vor, im letztern handelt es sich um eine Ehe. Denn die Verträge der Unfreien haben keine Gültigkeit.
41. Kanon. Die als Witwe frei über sich selbst verfügt, kann ohne Tadel mit einem Manne zusammenwohnen, wenn keiner da ist, der die Verbindung trennt. Sagt doch der Apostel: „Stirbt aber ihr Mann, so ist sie frei und kann heiraten, wen sie will — nur im Herrn19.”
42. Kanon. Ehen, ohne die zuständigen Vorgesetzten geschlossen, sind Hurereien. Demnach sind die, welche zu Lebzeiten des Vaters oder des Herrn (nur so) zusammengehen, nicht ohne Schuld. Wenn aber die Herren das Zusammenwohnen gestatten, so erhält es die Wirkung der Ehe.
43. Kanon. Wer seinem Nächsten einen tödlichen Streich versetzt hat, ist ein Mörder, mag er zu schlagen angefangen oder sich nur gerächt haben.
44. Kanon. Hat eine Diakonissin mit einem Heiden Unzucht getrieben, so ist sie zur Buße zuzulassen. Zum Opfer darf sie aber erst im siebten Jahre zugelassen werden, natürlich, wenn sie in Keuschheit lebt. Der Heide aber, der nach Annahme des Glaubens wieder ein Sakrileg begeht, kehrt zum Auswurf zurück. Wir erlauben aber nicht, daß der Leib der Diakonissin, weil geheiligt, ferner noch der fleischlichen Lust diene.
S. 213 45. Kanon. Wenn jemand den Namen eines Christen angenommen hat, aber Christus schmäht, so hat er von dieser Benennung keinen Gewinn.
46. Kanon. Diejenige, die einen Mann, der vorübergehend von seiner Frau verlassen worden, ohne dies zu wissen, geheiratet hat und hernach entlassen wird, weil die erste Frau wieder zu ihm geht, hat zwar gehurt, aber ohne ihr Wissen. Ihr darf die Ehe nicht verwehrt werden. Besser aber wäre es, wenn sie so bliebe.
47. Kanon. Die Enkratiten, Sakkophoren20 und Apotaktiten21 unterliegen nicht demselben Urteil wie die Novatianer: Für die ersteren wurde ein Kanon erlassen, wenn auch ein verschieden lautender, die letzteren sind aber mit Stillschweigen übergangen. Aus diesem einen Grunde taufen wir solche wieder. Wenn aber bei Euch die Wiedertaufe verboten ist, wie ja auch bei den Römern — aus irgend einer Rücksicht, so möge doch unsere Ansicht Geltung behalten! Denn weil ihre Häresie ein Ableger der Marcioniten ist, welche die Ehe verschmähen, den Wein (genuß) verwerfen und die Schöpfung Gottes befleckt nennen, so nehmen wir sie nicht in die Kirche auf, ehe sie nicht auf unsere Taufe getauft worden sind. Denn sie sollen nicht sagen: „Wir sind auf den Vater, den Sohn und den Hl. Geist getauft worden”, da sie ja im Wetteifer mit Marcion und den andern Ketzern Gott als den Urheber des Bösen hinstellen. Wenn das Anklang findet, müssen mehrere Bischöfe zusammenkommen und so ein Kirchengesetz erlassen, daß der, welcher darnach handelt, nicht Gefahr läuft, und der, welcher antwortet, in der Antwort auf derlei Fragen eine verlässige Autorität habe.
48. Kanon. Eine Frau, die von ihrem Manne verlassen wurde, muß nach meiner Meinung so S. 214 (= unverehelicht) bleiben. Wenn nämlich der Herr sagt: „Wer ein Weib verläßt, außer im Falle des Ehebruches, der macht, daß es die Ehe bricht22”, so hat er sie eben dadurch, daß er sie Ehebrecherin nennt, von der Gemeinschaft mit einem andern Manne ausgeschlossen. Denn wie kann der Mann als der am Ehebruch Schuldige schuldhaft sein, das Weib aber ohne Schuld, wenn sie doch vom Herrn wegen des Umganges mit einem andern Manne eine Ehebrecherin genannt wird?
49. Kanon. Die Genotzüchtigten sollen straflos bleiben. Daher ist auch die Sklavin, die von ihrem Herrn vergewaltigt wurde, nicht strafbar.
50. Kanon. Für eine dreimalige Heirat existiert kein Gesetz. Deshalb wird eine dritte Heirat nicht nach dem Gesetze geschlossen. Solche Ehen sehen wir aber als Makeln der Kirche an, belegen sie aber nicht mit öffentlichen Strafen23, weil sie doch nicht so verwerflich sind wie zügellose Hurerei.
Das heißt: in Privatoratorien, die schon in der alten Kirche nicht selten waren (vgl. Iren. lib. IV, c. 26; Basilius, hom. in psalm. 28 n. 3; Cyrill von Alexandrien, adv. anthropomorphitas c. 12). Solche Privatoratorien dienten zu erlaubtem Gottesdienst in der Zeit der Verfolgung oder sonst mißlicher Umstände, häufig aber zu unerlaubten, auch häretischen oder schismatischen Versammlungen. ↩
Der „Ungläubige” scheint ein mächtiger Arianer gewesen zu sein, der den Priestern zu Antiochien zürnte, weil diese in des Meletius Abwesenheit die Kirche regierten und vor dem Arianismus schützten. Unter Androhung von Strafen gebot nun jener Arianer den Priestern, zu schwören, in Antiochien ihre priesterlichen Funktionen einstellen zu wollen, um so dem Arianismus den Eingang zu verschaffen. ↩
1 Tim. 5, 11. 12. ↩
Vgl. can. 40 der sog. trullanischen Synode vom Jahre 692. Die untere Altersgrenze wird dort zwar auf 10 Jahre festgesetzt. ↩
Röm. 3, 19. ↩
Nämlich nach der Taufe. ↩
Jer. 3, 1. ↩
Sprichw. 18, 22. ↩
κοινωνία τοῦ ἀγαϑοῦ [koinōnia tou agathou] = „Teilnahme am Gute” = Kommunia oder „Gemeinschaft mit dem Guten” = mit dem Gläubigen. ↩
Vgl. Brief Nr. 160 (Mauriner-Ausgabe). ↩
Weil Noch nicht sechzigjährige in den Witwenstand nicht aufgenommen werden sollten. ↩
Wohl, wenn er eine Witwe, eine Verwandte oder eine Schauspielerin oder eine Nonne geheiratet hatte. ↩
1 Tim. 4, 4. ↩
Matth, 5, 34. Diese strenge Auffassung war im christlichen Altertum vielfach verbreitet. ↩
Ps. 118, 106 [Hebr. Ps. 119, 106]. ↩
εὐχαί [euchai]. ↩
Vgl. Kanon 63. ↩
Nahum 1, 9; vgl. Kanon 3. ↩
1 Kor. 7, 39. ↩
Eine manichäische Sekte, die ein Einsiedlerleben führte. Im Cod. Theodos. (Lib. XVI, tit. 5, leg. 9) werden sie auch „Hydroparastatae” genannt. ↩
Auch eine manichäische Sekte, gelegentlich mit den Enkratiten identifiziert (vgl. Epiphanius, adv. haeres. II, 18). ↩
Matth. 5, 32. ↩
Anders nach Kanon 4. Die dreimal Verheirateten hatten wohl nur das Büßerlos der „Mitstehenden” zu tragen. ↩
