XXVI. (Mauriner-Ausgabe Nr. 65) An Atarbius1
Inhalt: Basilius fordert den Adressaten auf, mit seiner Empfindlichkeit und Verschlossenheit Schluß zu machen und mahnt ihn im Interesse der Kirche und zu eigenem Vorteil zu confraterneller Mitarbeit. — Abfassungszeit ca. 371.
Ja, wann wird denn das Stillschweigen ein Ende nehmen, wenn ich die Vorrechte des Alters beanspruchen und warten wollte, bis von Dir der Anfang zu einer freundlichen Aussprache gemacht würde, Deine Liebe aber immer mehr sich versteifen wollte in dem verderblichen Entschlusse, stillzuschweigen? Doch, da ich bei Freundschaftsverhältnissen der Nachgiebigkeit die Bedeutung eines Sieges beilege, so will ich Dich gern belassen auf Deinem eigenen ehrliebenden Urteil, (vermeintlich) obsiegt zu haben. Ich selbst aber komme zuerst zum Schreiben, da ich weiß, daß die Liebe alles erträgt, alles duldet, niemals das Ihrige sucht, weshalb sie auch nie zuschanden wird2. Nicht zu erniedrigen ist, wer in Liebe dem Nächsten sich unterordnet. So zeige denn auch Du selbst in Zukunft die erste und schönste Frucht des Geistes, die Liebe3! Leg’ ab die finstere Miene der Zornigen, die Du uns in Deinem Stillschweigen zeigst! Nimm die Freude auf in Dein Herz, den S. 114 Frieden mit den gleichgesinnten Brüdern, den Eifer und die Sorge für die Erhaltung der Kirchen des Herrn! Wisse doch, daß, wenn wir nicht denselben Kampf für unsere Gemeinden aufnehmen, wie ihn zu deren Unterwühlung und gänzlicher Vernichtung die Gegner der gesunden Lehre führen, so wird kein Hindernis bestehen, daß die Wahrheit, von den Gegnern erst auf die Seite geschoben, schließlich ganz verloren geht. Wir selbst aber machten uns damit des Gerichtes schuldig, weil wir nicht mit allem Eifer und aller Bereitwilligkeit in gegenseitiger Eintracht und religiöser Einmütigkeit die pflichtschuldige Sorgfalt für die Einigkeit der Kirchen bewiesen haben. Ich ermahne Dich also, verscheuch’ aus Deiner Seele den Wahn, als brauchtest Du die Gemeinschaft mit einem andern nicht! Es steht einem Manne, der in der Liebe wandelt und das Gesetz Christi erfüllt, nicht an, sich von der brüderlichen Gemeinschaft abzuschließen. Zugleich will ich Deinem guten Herzen auch das zu erwägen geben, daß das Übel des Krieges, das jetzt die Runde macht4, auch einmal zu uns kommen kann, und wir dann, wenn wir wie die andern uns des kränkenden Übermutes haben schuldig gemacht, auch niemand finden werden, der Mitleid mit uns hätte, weil wir in der Zeit der Freude denen kein Scherflein Mitleid gezollt haben, denen Unrecht geschah.
