LXXXV. (Mauriner-Ausgabe Nr. 301) An Maximus
S. 325 Inhalt: Basilius tröstet den Adressaten über den Tod seiner Gattin.
Wie wir gestimmt wurden auf die Kunde von Deinem Unglücke, das wirklich getreu auszudrücken, fehlt uns jedes Wort. Bald bedachten wir den Verlust, den die Gemeinde der Gläubigen dadurch erlitt, daß sie die Vorsteherin ihres Standes verlor; bald dachten wir an die tiefe Trauer, in die Deine Durchlaucht versetzt wurde, und sahen im Geiste das Haus, das alle glücklich priesen, jetzt auf die Knie gesunken und das Zusammenleben schönster Harmonie traumschnell aufgelöst. Wie hätten wir da, und wären wir von Diamant, nicht weichherzig werden sollen? Es kam ja zwischen uns und Deiner Erhabenheit schon beim ersten Zusammentreffen zu einem so innigen Verhältnis, und wir wurden für Deine Tugend so eingenommen, daß wir zu jeder Stunde Dein Lob auf der Zunge hatten. Als wir aber auch mit jener seligen Seele näher bekannt geworden waren, da gewannen wir in Wahrheit die Überzeugung, daß sich an Euch das Sprichwort bestätigte, dem Manne werde von Gott ein gleichgesinntes Weib gegeben1. So sehr stimmtet Ihr in Eurer Art miteinander überein, daß jedes von Euch in sich wie in einem Spiegel den Charakter des andern darstellte. Möchte einer auch vieles sagen, es könnte doch nur der kleinste Teil von dem sein, was zu sagen wäre.
Allein wie soll man sich zum uralten Gesetz Gottes stellen, wornach derjenige, der zu einer bestimmten Zeit ins Leben eingetreten ist, wieder aus demselben tritt, und wornach jede Seele nach Erfüllung ihres Lebenszweckes von den Banden des Leibes befreit wird? Wir sind nicht die ersten, denen dieses widerfuhr, bewundernswerter Mann, noch die einzigen. Vielmehr erleben auch wir, was Eltern und Großeltern und alle früheren S. 326 Ahnen erlebt haben; das irdische Leben ist ja voll solcher Beispiele. Dir aber, der Du die andern an Tugend so sehr überragst, ziemt es, auch mitten in der Trübsal Deine große Seele ungebeugt zu bewahren, ob der gegenwärtigen Heimsuchung nicht unwillig zu werden, sondern für das im Anfange erhaltene Geschenk dem Geber Dank zu wissen. Denn das Sterben ist allen gemeinsam, die wir dieselbe Natur haben. Das Glück aber, eine gute Gattin zu haben, ist wenigen zuteil geworden, die man in diesem Leben glücklich gepriesen hat; in diesem Falle ist ja selbst der Schmerz der Trennung für die Gutgesinnten kein geringes Gut von Gott. Haben wir doch viele kennen gelernt, welche die Auflösung einer nichtharmonierenden Ehe wie die Ablegung einer Last ansahen. Blick auf zu diesem Himmel und zur Sonne, und betrachte die ganze Schöpfung ringsum! Diese vielen und schönen Dinge werden bald nicht mehr zu sehen sein. Und aus all dem zieh den Schluß, daß auch wir, ein Teil der vergänglichen Schöpfung, das auf Grund der gemeinsamen Natur uns beschiedene Los empfangen haben. Auch die Ehe selbst weiß das Sterben tröstend zu lindern. Denn da es uns nicht vergönnt ward, hienieden ewig fortzuleben, so gab uns der Schöpfer in der Geschlechtsnachfolge die Fortdauer des Lebens. Wenn wir aber trauern, daß sie vor uns dahingegangen, so dürfen wir sie nicht darum beneiden, daß sie nicht viel von den Trübsalen des Lebens verkostet hat, vielmehr uns verlassen hat mit dem Liebreiz der Blumen, so daß wir nach ihr uns noch sehnen. Vor allem aber soll Dich, der Du ein Christ bist und in der Hoffnung auf die zukünftigen Güter lebst, die Lehre von der Auferstehung trösten. Du mußt die Sache also so ansehen, als hätte sie einen Weg zurückgelegt, den auch wir gehen müssen. Klagen wir aber, daß sie uns vorausgegangen, so wisse: das ist kein Grund zur Klage. Vielleicht wird nach kurzer Zeit unser Los beklagenswerter sein, wenn wir mit unserem längeren Aufenthalte hienieden nur noch mehr der Strafe verfallen. Wohlan, möge unsere Vernunft den Druck der Trauer abschütteln und darauf bedacht sein, wie wir in Zukunft dem Herrn Wohlgefallen können!
Spr 19,14 ↩
