XXIV. (Mauriner-Ausgabe Nr. 54) An die Chorbischöfe
Inhalt: Basilius erneuert die alten Bestimmungen der Kirche über die Wahl der Kleriker auf dem Lande und schafft eingerissene Mißbräuche ab. — Geschrieben beim Antritt seines bischöflichen Amtes.
Mich betrübt es sehr, daß nachgerade die Normen (κανόνες) [kanones] der Väter außer Geltung gekommen sind und jede Disziplin aus den Gemeinden verschwunden ist. Auch befürchte ich, daß, wenn diese Gleichgültigkeit noch weiter geht, in Bälde die Lage der Kirche eine ganz verworrene wird. Die Diener der Kirche nahm der alte, in den Kirchen Gottes herrschende Brauch nur nach ganz peinlicher Prüfung auf. Man untersuchte eingehend ihren ganzen Lebenswandel, prüfte, ob sie nicht schmähsüchtig, Trinker, streitsüchtig seien, ob sie ihre Jugend zügeln, so daß sie die Heiligkeit, ohne die niemand den Herrn schauen wird, üben können1. Das untersuchten die Priester und Diakone, die mit ihnen zusammenwohnten, und erstatteten hierüber an die Chorbischöfe Bericht. Diese nahmen die Gutachten von den gewissenhaften Zeugen entgegen und unterbreiteten sie dem Bischof. So pflegte man Diener in den Stand der Geweihten2 einzureihen. Nun aber habt Ihr zuerst uns ausgeschlossen und S. 110 wollt nicht einmal an uns berichten; vielmehr habt Ihr alle Vollmacht auf Euch selbst übertragen. Sodann habt Ihr bei Eurer Leichtfertigkeit für die Sache es den Priestern und Diakonen überlassen, nach Belieben selbst unwürdige Leute der Kirche zuzuführen — ohne Prüfung ihres Lebenswandels, aus Zuneigung, aus Verwandtschafts- oder sonstigen Freundschaftsrücksichten. Deshalb zählt man in jedem Dorfe viele Diener, aber auch nicht einen, der des Dienstes am Altare würdig wäre, wie Ihr selbst bezeugt, da es Euch bei den Wahlen3 an Männern fehlt! Da ich nun sehe, daß die Sache schon ins Unheilbare geht, besonders jetzt, wo so viele aus Furcht vor dem Kriegsdienste4 in den Kirchendienst sich eindrängen, so ging ich notgedrungen daran, die Vorschriften der Väter aufs neue einzuschärfen. Ich gebiete Euch daher, mir von jedem Orte das Verzeichnis der Kirchendiener zu senden mit der Angabe, von wem der einzelne eingeführt worden und welcher Art sein Lebenswandel ist. Behaltet aber selbst auch ein Verzeichnis, damit Ihr Eure Berichte mit den bei uns hinterlegten vergleichen könnt und keinem ermöglicht werde, sich nach Belieben einzuschreiben. So sollen nun diejenigen, die etwa nach der ersten Einweisung5 von den Priestern eingeführt worden sind, wieder unter die Laien verwiesen werden. Ihr habt sie dann einer auf den Anfang zurückgehenden Prüfung zu unterwerfen; sind sie würdig, so sollen sie nach Eurem Gutachten aufgenommen werden. Reinigt die Kirche durch Entfernung der Unwürdigen, und prüft künftig, die würdig sind, und S. 111 nehmt sie dann auf! Schreibt sie aber nicht eher ein, als bis Ihr an uns berichtet habt, oder wisset, daß der wieder Laie wird, der ohne unser Gutachten in den Kirchendienst aufgenommen wurde.
Hebr. 12, 14. ↩
ἱεϱατικοί [hieratikoi] hießen sowohl die Kleriker im weiteren Sinne wie die Geistlichen als Inhaber der höheren Weihen; hier können nach dem Zusammenhang nur einfache Kleriker gemeint sein. Vgl. nächstfolgende Anmerkung. ↩
Nämlich: zu Priestern und Diakonen. ↩
στϱατολογία [stratologia] kommt in derselben Bedeutung noch in den Briefen Nr. 106 und 116 vor. ↩
‚ἐπινέμησις‛ [epinemēsis] hat im Spätgriechischen die Bedeutung von ,indictio‛ = einer Periode von fünfzehn Jahren (Cod. Theod. XI 28, 3). Allein hier scheint das Wort nicht diese Periode zu bedeuten, überhaupt nicht chronologisch gewertet werden zu können; vielmehr wird man den Terminus am besten verstehen als „Einweisung” der Kleriker in die verschiedenen Stufen der Ordination. Vgl. Jackson-Parker in Nicene and Post-Nicene Fathers of the Christian Church. vol. VIII. p. 157 n. 2. Schäfers (a. a. O. S. 6 f.). Bedenken gegen diesen ,Basilius‛-Brief ist daher unbegründet. ↩
