Vier und vierzigstes Kapitel. Justina besiegt das Zaudern des Theodosius durch die Reize ihrer Tochter, Galla.
1. Ob nun gleich Theodosius über diese Handlungen1 zürnte, so war er doch sowohl wegen angeborner Weichlichkeit, als auch der Sorglosigkeit seiner bisherigen Lebensart zu diesem Kriege etwas träge, und sprach theils von dem Unglücke der einheimischen Kriege, theils, wie es nicht anders möglich sey, als daß der Staat von beiden Seiten2 eine tödtliche Wunde empfinge. 2. Daher verlangte er, man solle vorher unterhandeln: wolle Maximus dem Valentinianus das Reich wieder zurückgeben, und sich ruhig verhalten, so solle das Ganze nach der vorigen Einrichtung vertheilt werden; behielte aber die Habsucht die Oberhand S. 78 bei ihm, so müsse man ihn ohne weitere Umstände bekriegen. 3. Diesem Vortrage des Kaisers, der dem Staate ersprießlich zu seyn schien, getrauete sich niemand vom Senate zu widersprechen. 4. Justina, die in Staatssachen erfahren war, und wohl Mittel zu ihrem Vortheile auszufinden wußte, auch die Neigung des Theodosius zu Liebeshändeln kannte, stellte ihm ihre Tochter Galla vor, die sich durch außerordentliche Schönheit auszeichnete. Sie umfaßte die Knie des Kaisers, und flehete ihn, er möchte doch sowohl den Tod des Gratianus, der ihm das Reich gegeben habe, nicht ungerächt lassen, als auch sie, die sonsten ganz hoffnungsloß sey, nicht vergebens vor sich knieen sehen. 5. Mit diesen Worten zeigt sie ihm die jammernde Tochter, die ihr Schicksal beweinte. 6. Wie Theodosius diese hörte, und zugleich durch den Anblick der Schönheit der Galla gefesselt wurde, verrieth er zwar durch seine Blicke die von ihrer Schönheit empfangene Wunde, schob aber die Unternehmung doch auf, und ermunterte sie, gute Hoffnung zu fassen. Allein als die Sehnsucht nach der Jungfrau ihn verzehrte, begab er sich zur Justina, und erbat sich ihre Tochter zur Gattin, weil Placilla, die er vorher gehabt hatte, gestorben war. 8. Sie aber weigerte sich, sie ihm anders zu geben, als wenn er gegen den Maximus aufbräche, den Tod des Gratianus rächte, und dem Valentinianus das Reich seines Vaters wieder übergäbe. 9. Unter diesen Bedingungen wurde ihm die Vermählung S. 79 gewährt, und er ergab sich nun ganz den Zurüstungen zum Kriege. Von seiner Gattin angetrieben, gewann er das Heer durch Zulagen des Gehalts, und entsagte, von der Noth gedrungen, seiner andern Sorglosigkeit: ja er befahl sogar, für die Zeit seiner Abwesenheit Anstalten auf solche Fälle zu machen, die Vorsicht erforderten.
