6.
Der demütigen und niedergeschlagenen Stimmung entspricht ein ernster, auf die Erde gesenkter Blick, ein nachlässiges Äußeres, ungepflegtes Haar, schäbige Kleidung, so daß das, was die Trauernden absichtlich tun, an uns ohne weiteres zum Ausdruck kommt. Das S. 17 Oberkleid schließe sich durch einen Gürtel eng an den Leib an, der Gürtel aber liege nicht hoch über den Lenden; das wäre weibisch. Auch sei er nicht locker, so daß das Kleid auseinanderfließt; das wäre weichlich. Der Gang sei nicht träge; das verriete Schlaffheit der Seele; er sei anderseits auch nicht hastig und stolz; das wäre ein Zeichen von törichten Regungen des Herzens. Der Zweck der Kleidung sei einzig der, eine Bedeckung zu sein für den Leib für Sommer und Winter. Man sei nicht aus auf bunte Farben noch auf feines und weiches Gewebe. Denn bei der Kleidung auf schöne Farben sehen, kommt gleich der Putzsucht der Frauen, die sich Wangen und Haare färben. Sodann soll das Gewand so dick sein, daß der damit Bekleidete zur Erwärmung keines zweiten bedarf. Das Schuhwerk sei von geringem Wert, genüge aber doch restlos dem Bedürfnis. Und um es kurz und einfach zu sagen: Wie bei der Kleidung das Bedürfnis entscheiden soll, so wird auch bei der Ernährung Brot ausreichen und Wasser dem Gesunden den Durst stillen, und Gemüsegerichte können dem Körper die Kraft zur erforderlichen Arbeit erhalten. Beim Essen zeige man keine gierige Gefräßigkeit, sondern wahre überall den Wohlanstand, die Bescheidenheit und die Beherrschung der Gelüste. Auch da lasse man nicht ab vom Denken an Gott, nehme vielmehr die Natur der Speisen und die Beschaffenheit des Körpers, der sie aufnimmt, zum Anlaß seiner Verherrlichung: wie mannigfaltig sind doch die Arten von Speisen, die der Lenker des Weltalls der Natur des Körpers entsprechend ersonnen hat! Gebete verrichte man vor dem Essen — würdig der Gaben, die Gott augenblicklich gibt und die er für später aufbewahrt hat! Gebete verrichte man nach dem Essen als Danksagung für die empfangenen Gaben wie als Bitte um die „verheißenen”. Nur eine Stunde sei für das Essen angesetzt, und zwar der Zeit nach immer dieselbe, so daß von den vierundzwanzig Stunden eines vollen Tages kaum diese eine Stunde in der Sorge für den Leib aufgeht. Die übrigen Stunden bringe der Aszet mit geistigen Übungen zu. Der Schlaf sei leicht und nicht tief, naturgemäß entsprechend der kärglichen Lebensweise; ja, er werde absichtlich unterbrochen von den Sorgen um die S. 18 großen1 Dinge. Von tiefem Schlafe befallen sein, wobei die Glieder ganz schlaff sind, so daß unvernünftige Vorspiegelungen Zugang finden — also schlafen heißt „täglich sterben”. Für die Aszeten aber sei die Mitternacht, was für die andern Menschen die Morgendämmerung ist. Die nächtliche Ruhe gibt der Seele ganz besondere Muße: Aug’ und Ohr führen dem Herzen keine schädlichen Gehörs- oder Gesichtswahrnehmungen zu; vielmehr weilt der Geist allein für sich bei Gott, bessert sich im Gedenken seiner Verfehlungen, setzt sich Schranken, um das Fallen in die Sünde zu verhüten, und erfleht von Gott die nötige Hilfe zur Vollbringung dessen, was er anstrebt2.
= ewigen. ↩
Ein Codex (Cäsareus) bietet noch folgenden Schluß: „Dies sei Dir, teures Haupt, meinerseits gewidmet als ein Schreiben brüderlicher Liebe! Du wollest mir vergelten mit Deinen hl. Gebeten, damit ich hinweggenommen werde aus dieser gegenwärtigen schlechten Welt und aus der Mitte der törichten Menschen und frei von aller Sünde, ja entronnen dem Feinde selbst und dem Widersacher meines Lebens, mit reinem Herzen den Gott des Alls von Angesicht zu Angesicht schauen darf durch die Gnade unseres Herrn Jesu Christi, dem Ehre und Macht in alle Ewigkeit sei! Amen.” ↩
