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[Forts. v. S. 90 ] Es scheint tatsächlich schwieriger zu sein, das Gute zu bewahren, als es erst zu erwerben. Und leichter scheint es für einen Schlauen zu sein, ein entschwundenes Glück zurückzurufen, als es im Besitze zu erhalten. „Vor dem Falle kommt die Überhebung1“, sagen mit Recht die Sprüche, „und vor dem Ruhme die Erniedrigung2.“ Oder ― um mich deutlicher auszudrücken, der Überhebung folgt der Fall, der Erniedrigung der Ruhm. Denn „der Herr widersteht den Hochmütigen, den Demütigen aber gibt er seine Gnade3.“ Er, der alles gerecht verteilt, vergilt mit Gegensätzen. In Erkenntnis dieser Wahrheit erklärt David seine Verdemütigung als ein Glück und dankt dem, der ihn verdemütigte, weil er ihn dadurch seine Satzungen gelehrt habe. „Ehe ich verdemütigt wurde, sagt er, habe ich gesündigt; daher beobachte ich dein Gebot4.“ Zwischen Sünde und Erhöhung setzt er die Verdemütigung; denn sie ersteht aus jener und bewirkt diese. Die Sünde ist die Mutter der Erniedrigung, die Erniedrigung aber ist die Mutter der Bekehrung. Durch unsere Ehrlichkeit und Bescheidenheit waren wir hoch gekommen und hatten wir uns allmählich vermehrt, so daß wir durch Gottes Fügung damals zu Macht und Ansehen gelangt waren. Als wir aber fett wurden, schlugen wir aus, und als wir in die Breite gingen5, kamen wir in Not. Die Ehre und die Macht, welche wir in Verfolgungen und Drangsalen erworben hatten, haben wir im Glück verloren, wie sich im folgenden zeigen wird.
