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Diejenigen, welche den Philosophen-Kaiser bewundern, mögen uns sagen, ob solches Verhalten auf Milde und Sanftmut oder aber auf Verwegenheit und Unmenschlichkeit schließen läßt. Ich glaube, daß niemand um eine gerechte, wahrheitsgemäße Antwort verlegen sein wird. Noch nicht habe ich erwähnt, daß Markus einer von denen war, welche dem Verfluchten damals, als seine Familie in Lebensgefahr war, das Leben gerettet und ihn entführt hatten. Wohl nur seinetwegen hatte Markus mit Recht solches erduldet und auch noch mehr Leiden verdient; denn er hatte dieses Ungeheuer dem ganzen Erdkreis heimlich erhalten. Der damalige Präfekt1 ― zwar ein Heide, doch seiner S. 131 Gesinnung nach über den Heiden stehend und ein Mann, der zu den Tüchtigsten unter den berühmten Persönlichkeiten alter und neuer Zeit gehört ― soll mit Rücksicht auf das erwähnte Martyrium, ungehalten über all das, was Markus zu leiden und zu ertragen hatte, an den Kaiser das freimütige Wort gerichtet haben: „Schämen wir uns nicht, o Kaiser, daß wir hinter allen Christen so weit zurückstehen, daß wir nicht einmal einem einzigen alten Manne Herr werden konnten, trotzdem dieser alle möglichen Torturen durchzumachen hatte? Ist es nicht große Schmach, einem Manne nachgeben zu müssen, dessen Besiegung keine Kunst gewesen wäre?“ Während sich Präfekten der Tat schämten, schienen sich Kaiser derselben gerühmt zu haben. Was da die Peiniger zu erfahren hatten, war doch noch schlimmer als das, was die Gepeinigten zu erdulden hatten? Nichts Schlimmeres hätte sie doch treffen können! Dies war das Verhalten der Bewohner von Arethusa. Die Grausamkeit eines Echetos2 und Phalaris3 war noch gering im Vergleich mit der Rohheit jener, vor allem aber gegenüber dem, was Julian anriet und tat. Gewächse entstehen aus Samen, Schiffbrüche durch Winde.
